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Adolescent girl at her home in Sixty-Six Quarters, Islamabad
© Plan International / Laura Salvinelli
30.10.2017 - von Janina Schümann

Frauen für eine bessere Welt

Die Menschheit tickt auch im Jahr 2017 noch viel zu männlich. Weltweit sind nicht einmal ein Viertel der Abgeordneten in den Parlamenten Frauen. Die Bewegung Because I am a Girl hat zum Welt-Mädchentag deutlich gemacht: Das muss sich ändern!


Von Maike Röttger

Je kürzer eine Antwort, desto treffender ist sie oft. Gefragt, warum in seinem Kabinett die gleiche Anzahl von Männern und Frauen vertreten ist, sagte der kanadische Premierminister Justin Trudeau bei seiner Vereidigung vor zwei Jahren: “Because it is 2015“ – weil wir im Jahr 2015 sind. Hatte der ehemalige deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder 17 Jahre vorher das Thema Gleichberechtigung noch als “Frauen und anderes Gedöns“ eingeordnet, denken führende Politiker der nächsten Generation in anderen Dimensionen. Einige. Leider immer noch zu wenige.

Weltweit sind nicht einmal ein Viertel (23,5 Prozent) der Abgeordneten in den nationalen Parlamenten weiblich. Nur 6,6 Prozent aller Staatsoberhäupter sind Frauen und nur 7,3 Prozent aller Regierungschefs. Gleichberechtigung sieht anders aus. Dabei wissen wir, dass es um viel mehr geht als um einen fairen Ausgleich bei der Verteilung von Posten.

Wollen wir die Welt verändern? Wollen wir nachhaltig Hunger und Armut bekämpfen? Wollen wir nicht mehr zusehen, wie Kleinkinder an einfach zu behandelnden Krankheiten sterben? Meinen wir es ernst mit den nachhaltigen Entwicklungszielen der Agenda 2030? Dann brauchen wir auf allen Ebenen der Gesellschaft mehr Frauenbeteiligung.

Noch immer zu wenig Teilhabe

Doch trotz aller Fortschritte der vergangenen Jahre sorgen in großen Teilen unserer Welt tief verwurzelte gesellschaftliche und religiöse Vorstellungen weiterhin dafür, dass nicht nur politische Beteiligung für Frauen unmöglich ist. Dabei stellen sie die Hälfte der Weltbevölkerung und tragen wesentlich zur Entwicklung eines Landes bei. Dennoch beträgt ihre ökonomische und politische Teilhabe bei Weitem nicht 50 Prozent. Wir wissen, dass 130 Millionen Mädchen nicht zur Schule gehen. Dabei steigert jedes zusätzliche Sekundarschuljahr das spätere Einkommen eines Mädchens um bis zu 20 Prozent.

Ein Einkommen, das ihrer eigenen Familie zugutekommt. Sie wird später und weniger Kinder bekommen, diese werden gesünder und gebildeter aufwachsen. Ihr Ansehen innerhalb der Familie steigt. “Mein Mann schlägt mich nicht mehr“, hat mir eine junge Frau in Ruanda erzählt, die in einer Spargruppe ihr kleines Einkommen zum Wohl der Familie vergrößert. Sie kann jetzt Stifte und Schulhefte für ihre Kinder kaufen und im Notfall auch Medikamente. Plötzlich ist sie für ihren Mann nicht mehr nur eine “Ware“, für die er einen hohen Brautpreis zahlen musste.

Wo aber ist die Lobby dieser Frauen weltweit? Sie kann nicht groß sein, wenn die Frauen selbst an den entscheidenden Stellschrauben der Veränderungen zu wenig mitwirken können. “Es ist Zeit, dass Männer und Jungen die Rolle anerkennen, die sie für die Gleichberechtigung spielen“, hat der ehemalige US-Präsident Jimmy Carter in einer Studie von Plan International zur Situation der Mädchen vor zwei Jahren geschrieben. “Sie müssen sich den Frauen und Mädchen anschließen, die sich um eine Veränderung unserer Gesellschaft in unser aller Interesse bemühen.“

 

Veränderung vorantreiben

Nicht nur in der Politik sind Frauen unterpräsentiert, sondern auch in der Justiz. Der Anteil der Richterinnen an höheren Gerichtshöfen ist sehr gering. So haben nur 19 Prozent der Supreme Courts eine Präsidentin. Und innerhalb der weltweit größten Unternehmen scheint die “gläserne Decke“ weiterhin für Frauen undurchlässig: Weniger als 4 Prozent der CEOs weltweit sind weiblich. Partizipation aller gesellschaftlichen Gruppen an den Entscheidungsprozessen jedoch kann die Qualität von Gesetzen, Regierungsführung und Dienstleistungen spürbar verbessern.

Junge Mädchen und Frauen darin zu unterstützen, Veränderungen als Entscheidungsträgerinnen voranzutreiben, ist der Schlüssel zur Veränderung. Plan International setzt sich seit 2012 mit seiner globalen Kampagne Because I am a Girl aus diesen Gründen gezielt dafür ein, dass Mädchen gleichberechtigt aufwachsen können. Vor allem sollen sie die gleichen Bildungschancen erhalten wie Jungen.

“Fehlendes Selbstvertrauen bei Mädchen ist auf soziale Einflüsse, religiöse Erziehung und die intellektuellen Beschränkungen zurückzuführen, die ihnen seit frühester Kindheit auferlegt wurden“, bemerkt die ägyptische Frauenrechtlerin Nawal El Saadawi in einem Mädchenbericht von Plan International. “Dies führt dazu, dass sich Mädchen körperlich, psychisch und geistig schwach fühlen und Befehle blind befolgen.“ Das ist der Fall, wenn sie schon als Kinder verheiratet und viel zu früh schwanger werden. Oder wenn sie gezwungen werden, die Schule zu verlassen, weil sie im Haushalt helfen müssen.

 

Chancen auch wahrnehmen können

Das wollen wir mit Because I am a Girl ändern. Aus unserer Kampagne ist eine Bewegung geworden, die nicht nur Plan International in allen 72 Ländern antreibt, in denen wir arbeiten. Sie wird die Welt bewegen.

So wie die 17 Jahre alte Meera in der indischen Hauptstadt Delhi ihren Stadtteil bewegt hat. Fast alle Mädchen (96 Prozent) haben uns dort erzählt, dass sie in ständiger Angst vor Belästigung und Übergriffen von Männern sind. In dem Projekt "Sichere Städte" von Plan International lernte Meera zusammen mit anderen Mädchen, die Probleme in ihrer Umgebung aufzuzeigen und mit den kommunalen Regierungsvertretern zu diskutieren. Diese sorgten für mehr Sicherheit.

 

Eine Plan-Befragung von Mädchen in Ecuador, Nicaragua, Pakistan und Simbabwe hat ergeben, dass die überwiegende Mehrheit von 88 Prozent meint, dass die Mädchen heute bessere Chancen hätten als ihre Mütter. Wir müssen gemeinsam dafür Sorge tragen, dass sie diese auch wahrnehmen können.

 

Gleichberechtigung muss ein Kernziel sein

Auch Deutschland hat sich mit der Agenda 2030 verpflichtet, zur Geschlechtergerechtigkeit und Stärkung von Frauen und Mädchen weltweit beizutragen. “Wir lassen niemanden zurück“, hat sich die Weltgemeinschaft versprochen. Das neue Parlament und die neue Regierung müssen dem Rechnung tragen: Gleichberechtigung muss ein Kernziel zukünftiger Bundespolitik sein, nach innen wie nach außen.

Zudem fordern wir von Plan International, dass Deutschland in der Entwicklungszusammenarbeit die Partnerländer unterstützt, Geschlechtergerechtigkeit und Bildung von Mädchen und Frauen voranzubringen. Das geht nicht ohne Investitionen der Bundesregierung.

Eine Milliarde Euro fordern wir dafür für die nächsten fünf Jahre. Ein wichtiger und angemessener Beitrag, genauso wie die versprochenen 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens, die dauerhaft für Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung gestellt werden müssen. Wir alle müssen uns dafür stark machen. Because it is 2017!

 

Zur Person: Maike Röttger war Vorsitzende der Geschäftsführung des Kinderhilfswerks Plan International Deutschland.