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Die Corona-Pandemie wirft die Welt in ihrem Bestreben nach Gleichberechtigung um Jahrzehnte zurück. Deshalb ist es auch und insbesondere in Krisenzeiten wichtig, sich weiter für Gleichberechtigung stark zu machen. © Plan International/ Quinn Neely
Die Corona-Pandemie wirft die Welt in ihrem Bestreben nach Gleichberechtigung um Jahrzehnte zurück. Deshalb ist es auch und insbesondere in Krisenzeiten wichtig, sich weiter für Gleichberechtigung stark zu machen. © Plan International/ Quinn Neely
08.03.2021 - von Anne Rütten

Weltfrauentag: Gleichberechtigung in Zeiten von Covid-19 in Gefahr

Der Weltfrauentag am 8. März ruft alljährlich dazu auf, die Gleichstellung der Geschlechter aktiv voranzutreiben. Allerdings wirft die Corona-Pandemie die Welt in ihren Bemühungen um Jahrzehnte zurück. Die gute Nachricht: Geschlechtergerechtigkeit ist der Weltbevölkerung mehrheitlich so wichtig, dass sie ihre Regierungen auffordert, dafür mehr zu tun.

Auch mehr als 25 Jahre nach der wegweisenden Weltfrauenkonferenz der Vereinten Nationen, auf der mit der Pekinger Aktionsplattform Maßnahmen zur Gleichstellung der Frau auf allen Ebenen verabschiedet wurden, ist die Welt noch weit von diesem Ziel entfernt. Der Gender Gap Report 2020 des Weltwirtschaftsforums zeigt: Es wird noch rund 100 Jahre dauern, die berufliche, politische und wirtschaftliche Gleichstellung von Frauen und Männern weltweit zu erreichen.

In diesen Berechnungen war eine globale Krise wie die Corona-Pandemie allerdings nicht einkalkuliert, von der Expert:innen annehmen, dass sie die Welt in ihrem Bestreben nach Gleichberechtigung um Jahrzehnte zurückwerfen werde. 


Krisen verschärfen Ungleichheiten

Warum ist das so? Krisensituationen verschärfen bereits bedrohliche Verhältnisse und bestehende Ungleichheiten. Weil Mädchen und Frauen weltweit in vielen Lebensbereichen benachteiligt sind, leiden sie als erste und am stärksten unter wirtschaftlichen und sozialen Folgen von Krisen: Sie werden vermehrt Opfer von sexualisierter Gewalt, zudem sind Mädchen die ersten, die nicht mehr zur Schule gehen und – wenn überhaupt – die letzten, die ihre Bildung nach einer Krise wieder fortsetzen können.- Frauen verlieren potenziell häufiger ihre Jobs und haben weniger Erspartes, auf das sie zurückgreifen könnten, sodass sie schneller in Armut und Abhängigkeiten rutschen als Männer. So sind Mädchen und Frauen nicht nur von den akuten Auswirkungen der Corona-Krise am meisten bedroht. Sie werden auch langfristig am meisten unter den Folgen der Pandemie leiden.

Rückschritt in der Rollenverteilung

In Deutschland hat die Corona-Krise besonders zu einem Rückschritt in der familiären Rollenverteilung von Frau und Mann geführt: Über 20 Prozent der ohnehin schon weniger arbeitenden Mütter haben in der Krise ihre Arbeitszeit reduziert oder gar aufgegeben und umso mehr Zeit in unbezahlte Care-Arbeit wie Kinderbetreuung, Haushalt und Pflege von Angehörigen investiert. Währenddessen bleibt bei den Vätern auch im Homeoffice oder in Kurzarbeit häufiger alles beim Alten: Sie treten deutlich seltener zurück, um Care-Arbeit zu übernehmen, und bleiben in ihrem Arbeitsleben. 

Frauen in Führungspositionen: Dringend gebraucht und doch verhindert
Veralteten Geschlechterklischees und die nach wie vor bestehende Annahme, Männer seien die besseren politischen Leitfiguren verhindern häufig, dass Frauen in Führungspositionen kommen. © Plan International
Veraltete Geschlechterklischees und die nach wie vor bestehende Annahme, Männer seien die besseren politischen Leitfiguren verhindern häufig, dass Frauen in Führungspositionen kommen. © Plan International

Der Rückschritt in der Rollenverteilung von Mann und Frau hat aber nicht nur Auswirkungen auf das Familiengefüge. Er minimiert auch berufliche Erfolgs- und Aufstiegschancen von Frauen und macht darüber hinaus die wenigen Frauen in Führungspositionen unsichtbar. So werden beispielsweise seit Beginn der Corona-Krise überdurchschnittlich viele männliche Experten zum Virusgeschehen befragt. Laut einer Untersuchung der MaLisa Stiftung war in den TV-Formaten im Frühjahr 2020 nur eine von fünf Expert:innen weiblich (22 Prozent). In der Online-Berichterstattung wurden Frauen nur zu rund sieben Prozent als Expertinnen erwähnt. Dabei ist fast die Hälfte aller Ärzt:innen in Deutschland weiblich. Auch im Bereich der während der Corona-Krise besonders gefragten Berufssparten Virologie, Infektionsepidemiologie und Mikrobiologie liegt der Frauenanteil bei 45 Prozent. Auch hier spielt die durch die Corona-Krise retraditionalisierte Rollenverteilung hinein: Diejenigen Frauen, die Kind und Karriere auch während der Pandemie unter einen Hut bekommen, also auch Ärztinnen, müssen Prioritäten setzen – was dazu führen kann, dass sie Presseanfragen absagen. 

Schwerer als Ursache für die Priorisierung männlicher Experten wiegen allerdings die veralteten Geschlechterklischees und die nach wie vor bestehende Annahme, Männer seien die besseren politischen Leitfiguren und als solche besser geeignet für den Job – so das Ergebnis einer Befragung des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) aus dem vergangenen Jahr. Dabei hat gerade die Corona-Pandemie gezeigt, dass Frauen diverse Erfahrungen, Perspektiven und Fähigkeiten mitbringen und einen unersetzlichen Beitrag zu Entscheidungen, Strategien und Gesetzen leisten, die für alle besser funktionieren.

So wird die Mehrheit der Länder, die bei der Eindämmung der Covid-19-Pandemie und bei der Bewältigung ihrer gesundheitlichen und weitergehenden sozioökonomischen Auswirkungen erfolgreicher waren, von Frauen geführt – weltweit stehen Frauen allerdings nur in 20 Ländern an der Spitze. Und wenngleich Frauen an vorderster Front in der aktuellen Krise stehen und arbeiten – etwa als Mütter, Ärztinnen, Pflegerinnen, Krankenschwestern, Verkäuferinnen im Einzelhandel – haben sie seltener Schlüsselpositionen inne, um Einfluss zu nehmen und Entscheidungen aktiv mitzugestalten.

Weltfrauentag 2021: Mehr Frauen an die Macht!
Echte Gleichberechtigung lässt sich nur erreichen, wenn junge Menschen – insbesondere junge Frauen – an den nationalen und internationalen Prozessen teilhaben und ihre Sicht einbringen können. © Plan International
Echte Gleichberechtigung lässt sich nur erreichen, wenn junge Menschen – insbesondere junge Frauen – an den nationalen und internationalen Prozessen teilhaben und ihre Sicht einbringen können. © Plan International

Zum Weltfrauentag 2021 fordert Plan International mit der globalen Kampagne Girls Get Equal deshalb erneut echte Gleichberechtigung für Mädchen und Frauen. Auf politischer Ebene braucht es mehr Einsatz. Die deutsche Bundesregierung muss ihre starke internationale Rolle nutzen, um Gleichberechtigung auf der Agenda zu halten – auch und gerade in Krisenzeiten ist das entscheidend dafür, ob nachhaltige Entwicklungsziele wie Bildung und Klimaschutz erreicht und extreme Armut wirksam beendet werden können.

Dies gelingt nur, wenn junge Menschen – insbesondere junge Frauen – an den nationalen und internationalen Prozessen teilhaben und ihre Sicht einbringen können. Denn sie sind zurzeit noch zu selten an politischen Entscheidungen beteiligt: Nur zwei Prozent der Abgeordneten aller Parlamente weltweit sind unter 30 Jahren, und nur jede vierte davon ist eine Frau. Dabei bilden Menschen zwischen 14 und 24 Jahren in vielen Ländern die Bevölkerungsmehrheit. Sie haben nicht nur das Recht auf Teilhabe, sie möchten die politische und gesellschaftliche Entwicklung auch aktiv mitgestalten. Das war das Ergebnis einer Plan-Studie aus dem Jahr 2019, für die fast 10.000 Mädchen und junge Frauen in 19 Ländern zu ihren Ambitionen befragt wurden. 76 Prozent der Befragten gaben an, dass sie gerne eine Führungsposition übernehmen würden. Über 60 Prozent glaubten auch, dass sie dafür die nötigen Fähigkeiten mitbrächten. Gleichzeitig befürchten jedoch 94 Prozent der Befragten ungerechte Behandlung und Diskriminierung. 93 Prozent der Mädchen waren zudem überzeugt, dass sie als Führungskräfte mit sexueller Belästigung rechnen müssten. 

Angesichts dieser Ergebnisse bleibt auch 2021 noch viel zu tun, um Gleichberechtigung weiter voran zu treiben und den Weg für Frauen in Führungspositionen zu erleichtern. „Die Ergebnisse der Studie machen deutlich, dass - wenn wir nicht schnell handeln - Generationen von Mädchen wenig Einfluss auf wichtige Lebensbereiche wie Wirtschaft, Politik oder Gesellschaft haben werden. Deshalb müssen wir die Barrieren abbauen, die Mädchen daran hindern, Führungspositionen zu besetzen“, sagt Maike Röttger, Geschäftsführerin von Plan International Deutschland.

Die gute Nachricht: Gleichberechtigung ist der Weltbevölkerung wichtig
Männer wie Frauen weltweit wünschen sich mehrheitlich, dass Frauen in Politik und Gesellschaft sowie in Feldern wie Innovation, Klimawandel und Technik mehr repräsentiert sind, auch in Führungspositionen. © Plan International
Männer wie Frauen weltweit wünschen sich mehrheitlich, dass Frauen in Politik und Gesellschaft sowie in Feldern wie Innovation, Klimawandel und Technik mehr repräsentiert sind, auch in Führungspositionen. © Plan International

Mit dieser Forderung nach echter Gleichberechtigung steht die Kinderrechtsorganisation nicht allein da: 80 Prozent der für eine repräsentative Studie von Women Deliver weltweit befragten Männer und Frauen ist das Erreichen der Gleichstellung der Geschlechter wichtig. Zwei Drittel der Teilnehmenden sehen es als klare Aufgabe ihrer Regierung an, Gleichberechtigung auf allen Ebenen voranzutreiben und zu fördern. Männer wie Frauen wünschen sich mehrheitlich, dass Frauen in Politik und Gesellschaft sowie in Feldern wie Innovation, Klimawandel und Technik mehr repräsentiert sind, auch in Führungspositionen. Speziell im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie gaben 82 Prozent der Befragten an, dass Frauen mehr an der Pandemiebekämpfung beteiligt werden sollten. Sie sollen sowohl mehr Mitsprache bei den Gesundheitsmaßnahmen bekommen als auch beim Wiederaufbau nach der Krise mitarbeiten und entscheiden. 

Gleichberechtigung beseitigt Armut

Das macht Mut. Denn die Forderung nach echter Gleichberechtigung, die in Deutschland und anderen Industrienationen des globalen Nordens wie ein „Luxusproblem“ klingt, ist eine wichtige Voraussetzung dafür, extreme Armut weltweit zu beenden und gemeinsam eine gerechtere Welt für alle zu schaffen.

Insbesondere in Ländern des globalen Südens, zu denen die meisten Programmländer zählen, in denen Plan International arbeitet, haben Mädchen und Frauen allerdings häufig schlechtere Chancen und schlechteren Zugang zu Ressourcen wie Bildung, Nahrung, Wasser, Hygiene oder menschenwürdiger, bezahlter Arbeit. Grund dafür sind patriarchale Machtstrukturen und überkommene Normen – ihre Väter und später Ehemänner haben oft die Macht über sie, sodass sie nicht selbst und frei über ihr Leben bestimmen können. So können viele Mädchen und Frauen auf der Welt ihre Rechte nicht wahrnehmen, weil man glaubt, sie seien weniger Wert als Jungen und Männer. Die Folgen sind ungleiche Bildungschancen, geschlechterbasierter Gewalt, Kinder-, Früh- und Zwangsheirat, Frühschwangerschaften, Genitalverstümmelung, und eben auch, dass Frauen in Politik und Wirtschaft unterrepräsentiert sind.

#GirlsGetEqual Power: Setz ein Zeichen für echte Gleichberechtigung!
Mach dich gemeinsam mit Plan International stark und setze ein Zeichen für echte Gleichberechtigung! © Plan International/ Manuela Farias
Mach dich gemeinsam mit Plan International stark und setze ein Zeichen für echte Gleichberechtigung! © Plan International/ Manuela Farias

Mit Girls Get Equal setzt Plan International sich dafür ein, die überkommenen Normen und Strukturen, die Diskriminierung zugrunde liegen, zu verändern und echte Gleichberechtigung in allen Bereichen zu verwirklichen. Jedes Mädchen und jede Frau sollte selbstbestimmt leben und die Welt um sich herum aktiv mitgestalten können. Sie sollen als Führungskräfte, Wegbereiterinnen und aktive Mitglieder der Gesellschaft geschätzt und in ihrem Einsatz für gesellschaftlichen Wandel unterstützt werden.

Mach dich gemeinsam mit Plan International stark und setze ein Zeichen für echte Gleichberechtigung!