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201501-ETH-24
Lenteta, 16 Jahre alt
10.02.2016 - von Janina Schümann

Der ‚Uncut Girls Club‘

Mehr als 50 inspirierende Mädchen bilden den ‚Uncut Girls Club‘, der dank Plan International in einer Schule in Bonazuria, Äthiopien, gegründet wurde. Hier sprechen die Mädchen über die Folgen der weiblichen Genitalverstümmelung (FGM). Sie versuchen Botschaften an ihre Familien und die Gemeinden zu verbreiten, ihre Gleichaltrigen zu stärken und diese gefährliche Praxis zu beenden.


„Wir wollen andere Mädchen vor der weiblichen Genitalverstümmelung bewahren!“

„In der Vergangenheit sprachen meine Freundinnen und ich darüber, wann und wie unsere weibliche Genitalverstümmelung wohl stattfinden würde und was für eine Zeremonie dann folgen würde. Heute reden wir darüber, was wir tun können, um FGM zu beenden. Weil FGM ein Teil unserer Geschichte und Tradition ist, war es ein Lebensabschnitt, den wir bewältigen wollten - auch wenn wir nicht wussten, was das heißen würde. Als Plan International den „Uncut Girls Club“ ins Leben rief, war ich also vorerst nicht glücklich darüber. Ich glaubte nicht daran, dass es eine gute Idee sei, FGM zu stoppen. Als Plan dann unsere Klasse über die Folgen der Beschneidung aufklärte, änderte sich meine Meinung drastisch und ich beschloss beschloss, mich dem „Uncut Girls Club“ anzuschließen. Als meine Freundinnen und ich uns dafür entschieden, uns gegen diese Praxis zu wehren, war uns klar, dass wir auch andere Mädchen schützen müssen.“

„Wir sind stolz, dass wir nicht beschnitten sind!“

„Ich musste FGM nicht erleben. Meine Eltern trafen die Entscheidung, all ihre Töchter vor der Praxis zu schützen, noch bevor Plan die Aufklärungsarbeit in unserer Gemeinde leistete. Doch zwei meiner älteren Schwestern beschlossen, die Praxis freiwillig durchzuführen. Sie hatten Angst davor, dass sie gemobbt werden und keinen Mann finden würden, wenn sie nicht beschnitten sind. Sie fingen an, nebenbei zu arbeiten, um das Geld für das Verfahren zu sammeln und ein traditioneller „Beschneider“ aus unserem Dorf hat es die Praxis dann mit einer Rasierklinge durchgeführt. Meine Eltern waren sehr wütend und meine Schwestern mussten einige Zeit bei unseren Nachbarn leben. „Um unseren Schwestern zu folgen, planten meine kleine Schwester und ich, auch ohne die Erlaubnis unserer Eltern zum „Beschneider“ zu gehen.

Alles änderte sich als Plan International den „Uncut Girls Club“ an unserer Schule ins Leben rief. Es ist ein Mädchen Club, der Informationen über die Gefahren von FGM verbreitet und die Mädchen dazu ermutigt gegen die schädliche Praxis in ihrer Gemeinde aufzustehen/zustehen. Nun, wo wir so viel über die Praxis wissen, sind wir froh nicht beschnitten zu sein.

Wir sprechen über das Thema mit anderen in unserer Gemeinde und warnen die Eltern davor, ihre Töchter beschneiden zu lassen.

Es ist nicht immer einfach für uns, dass wir nicht beschnitten sind. Wenn wir beispielsweise Wasser holen oder zur Schule gehen, zeigen Leute mit ihren Fingern auf uns und lachen uns aus, da wir uns nicht an die Tradition halten. Einige Menschen denken, dass wir nicht sauber und gehorsam sind. Ich bin stolz, dass unser Club so gut wächst. Ich denke, dass wenn ich groß bin ich die Präsidentin von Äthiopien sein könnte.

„Ich wage es über die Gefahren von FGM zu sprechen“

Ich wollte nie über FGM sprechen, da es ein Tabuthema war. Im Uncut Girls Club habe ich den Mut bekommen und eingesehen, dass es wichtig ist offen über dieses Thema zu sprechen. Wir haben uns entschlossen, uns vor dieser grausamen Tradition zu schützen und auch anderen Mädchen zu helfen. Nun, wo es so viele von uns gibt, halte ich mich nicht mehr zurück. Ich wage es nun über die Gefahren von FGM zu sprechen, auch auf dem Marktplatz oder in der Kirche.

Meist versuche ich meine Freundinnen zu informieren, die dem Club noch nicht angehören. Wenn andere Mädchen fragen, wieso wir nicht beschnitten sind, erzählen wir ihnen, dass FGM Blutungen, Schmerzen und Komplikationen während der Schwangerschaft verursachen kann und auch ein Grund für die Ausbreitung von HIV ist.“

„Früher habe ich die traditionellen Beschneiderinnen respektiert. Nun zweifle ich an ihren Fähigkeiten und Kenntnissen.“

„Der Termin meiner Beschneidung stand schon fest, als das Plan-Projekt in meiner Schule startete. Als ich über die Folgen von FGM erfuhr, gab es nur noch einen Gedanken in meinem Kopf: meine Beschneidung darf nicht stattfinden! Zum Glück verstanden meine Eltern die Gefahr und unterstützten mich.

Früher habe ich die traditionellen Beschneiderinnen sehr respektiert, doch heute hinterfrage ich ihr Wissen und ihre Fähigkeiten. Es ist zum Beispiel sehr gefährlich, dass sie dieselbe Rasierklinge, unsterisilisiert für mehrere Mädchen zu verwenden. Genau dies ist der Weg der Ausbreitung von HIV. Wenn mein zukünftiger Mann eine beschnittene Frau haben will, dann werde ich es ablehnen und versuchen ihm die Folgen zu erklären. Er wird mich nur heiraten können, wenn er meine Entscheidung akzeptiert.“

Dank des Uncut Girls Club ist auch meine Mutter strikt gegen FGM

„Ich weiß, wie ein mir bekanntes Mädchen unter FGM litt. Sie wurde im Alter von 9 Jahren beschnitten. Da war so viel Blut und das Mädchen konnte nicht ins Krankenhaus, da ihre Eltern Angst hatten, bestraft zu werden. FGM ist laut des äthiopischen Gesetzes verboten und die Leute riskieren dadurch eine Geldstrafe.

Meine Freundin wurde von der Beschneiderin mit traditionellen Methoden behandelt. Sie hatte eine schwere Infektion und war über Monate im Bett. Sie leidet immer noch an schweren Schmerzen, obwohl sie schon 14 Jahre alt ist. Sie hat auch eine Narbe, die sicherlich ihre Geburten erschweren wird.

Für mich ist meine Freundin ein Beispiel. Als ich von ihrem Erlebnis erfuhr, habe ich mich entschlossen, nicht dasselbe zu durch leben. Meine Mutter war verwirrt und fragte mich, warum ich kein Teil dieser respektvollen Tradition sein wollte. Als ich ihr erklärte, was wir in der Schule im Uncut Girls Club lernten, über die Folgen von FGM fing sie mich an voll zu unterstützen und sich auch gegen FGM zu positionieren.

FGM ist einschüchternd, doch der Club hat mir den Mut gegeben „Nein“ zu sagen“

„Der Uncut Girls Club gab mir die Chance meine Meinung zu ändern. Jetzt möchte anderen dieselbe Chance bieten. In der Vergangenheit hat alles, was mit FGM in Verbindung stand, mich eingeschüchtert, doch der Club hat mir den Mut dazu verliehen „Nein“ zu sagen.

Der Club hat unser Selbstbewusstsein in vielerlei Hinsicht gestärkt. Wir haben den Mut, uns zu diesem sensiblen Thema zu positionieren auch in der Klasse und antworten genauso eifrig wie die Jungen.

Ich denke, dass die Wertschätzung für Mädchen und Frauen in unserer Gesellschaft von der Verbreitung von Informationen abhängig ist. In der Vergangenheit wurden eher die Jungen zur Schule geschickt, aber seit dem Beginn von Plans Arbeit begann sich dieses zu ändern. „Wenn ich groß bin, möchte ich eine Tochter haben und sie wird nicht beschnitten werden!“