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© GPE_Kelley Lynch
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26.04.2017 - von Janina Schümann

Mehr als nur eine Lehrerin

Suwaiba Yunusa ist die einzige Frau im Kollegium der Janbulo Islamiyya Grundschule in Roni im Norden Nigerias. Für die Mädchen an der Schule ist sie nicht nur eine Lehrkraft, sondern auch Vorbild und Vertrauensperson – und für Eltern ein Argument, Töchter zur Schule zu schicken.


Suwaiba Yunusa ist 29 Jahre alt und arbeitet als Grundschullehrerin in Roni, im Bundesstaat Jigawa im Norden Nigerias. Sie ist die einzige Frau, die hier unterrichtet. „Natürlich könnten Sie mit Suwaiba sprechen, aber sie ist für heute schon nach Hause gegangen“, erklärt Schulleiter Shaaibu Hassan. Er ergänzt: „Bei uns in Jigawa gibt es nicht viele weibliche Lehrkräfte. Wir sind daher glücklich, wenigstens diese eine zu haben.“

Lehrerin, Vorbild, Vertrauensperson

Das Gespräch mit dem Schulleiter und weiteren Lehrern der Grundschule, die sich in seinem Büro drängeln, macht deutlich, dass Suwaiba als einzige weibliche Lehrkraft weit mehr ist als einfach nur irgendeine Lehrerin: „Wenn Eltern erfahren, dass es an unserer Schule eine weibliche Lehrkraft gibt, lassen sie sich einfacher davon überzeugen, ihre Töchter zur Schule zu schicken“, sagt einer der Lehrer.

„Wenn die Mädchen Suwaiba kommen sehen, rufen sie manchmal ganz laut ihren Namen“, berichtet ein anderer. „Ich denke, das liegt daran, dass sie sich so sehr darüber freuen, dass da jemand wie sie ist.“

„Die Mädchen fühlen sich bei einer Lehrerin viel freier. Sie reden viel häufiger offen in der Klasse“, sagt ein weiterer. „Und sie brauchen jemanden, mit dem sie über ihre ganz speziellen Probleme und Anliegen als Mädchen sprechen können“, fährt Shaaibu fort.

Mehr Mädchen gehen zur Schule, wenn Frauen unterrichten

Als sie am nächsten Tag wieder in der Schule ist, zählt Suwaiba weitere Vorzüge weiblicher Lehrkräfte für eine Schule auf, insbesondere für heranwachsende Mädchen in der Pubertät: „In unserer Gesellschaft gehört es sich für männliche Lehrkräfte nicht, mit älteren Mädchen Gespräche unter vier Augen zu führen. Sie haben auch eher begrenzte Möglichkeiten, ältere Mädchen zu disziplinieren. Eine Lehrerin hingegen kann – wie eine Mutter – Kinder beider Geschlechter und in jedem Alter erreichen.“

Und natürlich sei sie immer für die Mädchen da, wenn diese sich mit dem Thema Menstruation und den damit einhergehenden Problemen auseinandersetzen müssen: Ein Aspekt, der den männlichen Kollegen am Vortag nur ein nervöses Lächeln abrang.

Suwaiba ist sich jedoch bewusst, dass ihre vielleicht wichtigste Aufgabe darin besteht, ein Vorbild für die Mädchen zu sein: „Als ich aufwuchs, hatte ich zwei Lehrerinnen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ich so sein wollte wie sie. Heute bin ich es. Ich weiß also, was es bedeutet und wie wichtig es ist, wenn Mädchen zu mir kommen und sagen ‚Wenn ich erwachsen bin, möchte ich Lehrerin sein, wie Sie'.“

Mädchen müssen für Bildung viele Hürden überwinden

Nigeria ist das bevölkerungsreichste Land in Afrika. Hier leben 20 Prozent aller Kinder weltweit, die keine Schule besuchen. In den nördlichen Bundesstaaten des Landes wie Jigawa sind es mehrheitlich Mädchen, die keine Schule besuchen. Untersuchungen bestätigen, was Suwaiba und ihre männlichen Kollegen an ihrer Schule erleben: die Erhöhung der Zahl weiblicher Lehrkräfte ist ein guter Weg, damit mehr Mädchen eine Schule besuchen und auch einen Abschluss machen.

Das gilt insbesondere in jenen Teilen der Welt, in denen es aufgrund kultureller Hürden schwieriger ist, Mädchen zur Schule zu schicken. Hier ist zu beobachten, dass Mädchen, die von positiven weiblichen Vorbildern in der Schule berichten, mit größerer Wahrscheinlichkeit einen Schulabschluss machen.

Zu wenige Lehrerinnen in Nigeria

Seit 2012 ist Nigeria ein Partnerland der Globalen Bildungspartnerschaft (GPE). Mit einem Zuschuss der GPE in Höhe von 100 Millionen US-Dollar soll der Zugang zu Grundbildung für Mädchen verbessert und die Gleichstellung der Geschlechter im Bildungsbereich gefördert werden.

Weibliche Lehrkräfte in  den Schulen zu haben, kann aber auch noch etwas anderes bewirken. „Letztes Jahr war ich so glücklich“, erzählt Suwaiba. „Meiner Schule wurden zwei weitere Lehrerinnen zugewiesen. Wir arbeiteten zusammen und übten gemeinsam mit den Kindern. Zwischen den Unterrichtsstunden trafen wir uns und sprachen über alle möglichen Probleme, mit denen wir in den Klassen zu tun hatten.“ Da es aber im ganzen Land an weiblichen Lehrkräften mangelt, wurden Suwaibas Kolleginnen beide bereits nach kurzer Zeit an andere Schulen versetzt. „Deshalb komme ich ehrlich gesagt nicht mehr so gern zur Schule. Ich fühle mich allein und ausgegrenzt. Die männlichen Lehrkräfte sitzen alle im Schatten zusammen und unterhalten sich.“

Kulturell bedingt, könne sie sich nicht einfach dazu setzen und mitreden, erklärt Suwaiba. „Und es gibt auch kein Lehrerzimmer, in das ich mich setzen könnte. Zwischen den Unterrichtsstunden laufe ich daher einfach in der Schule umher und kann mich mit niemandem unterhalten. Ich denke darüber nach, die Schule zu verlassen. Ich habe dem Schulleiter bereits gesagt, dass ich an eine andere Schule wechseln möchte, falls es hier nicht bald eine weitere Lehrerin gibt.“

Ein Teil der GPE-Förderung wird dazu verwendet, die Zahl der qualifizierten weiblichen Lehrkräfte zu erhöhen. Dazu sollen rund 11.000 Lehrerinnen ein Stipendium erhalten, um ihre Qualifikationen zu verbessern und um sie zum Verbleib an den Schulen zu bewegen.

„Ich denke ständig an die Zukunft. Ich weiß, dass es eines Tages, wenn immer mehr Mädchen zur Schule gehen und einen Abschluss machen, mehr von uns geben wird. Ich kann diesen Tag kaum erwarten.“

Dieser Blog erschien zuerst auf Englisch.