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Frühe Heirat
30.01.2015 - von Plan Redaktion

Infos zum Thema Frühverheiratung

Weltweit werden jedes Jahr schätzungsweise 12 Millionen Mädchen verheiratet, bevor sie 18 Jahre alt sind. Die Frühverheiratung von Minderjährigen ist eine gravierende Kinderrechtsverletzung, die Millionen Mädchen zwingt, die Schule vorzeitig zu verlassen. Dabei ist Bildung ein entscheidender Schlüssel, um den Kreislauf von Armut und Frühverheiratung zu durchbrechen.

Was bedeutet Frühverheiratung?

Kinderheirat ist eine gravierende Kinderrechtsverletzung, Millionen von Mädchen werden weltweit durch eine Verheiratung weit vor ihrer Volljährigkeit ihrer Kindheit beraubt. Diese Mädchen sind gezwungen, die Schule vorzeitig zu verlassen und in ein Leben mit wenigen beruflichen oder persönlichen Perspektiven zu starten. Gleichzeitig steigt das Risiko für sie, Opfer von Gewalt oder Missbrauch zu werden.

Kinderheirat bedeutet auch, dass die betroffenen Mädchen häufig benachteiligt und von ihren eigenen Familien und Freunden isoliert sind. Sie werden oft alleingelassen im Umgang mit der Ehe, der Elternschaft, den häuslichen und familiären Pflichten.

Grundsätzlich werden sowohl Mädchen als auch Jungen früh verheiratet. Allerdings ist der Anteil der Mädchen erheblich höher. Die  Folgen einer frühen Heirat sind meist schwerwiegend, zum Beispiel, wenn Mädchen schwanger werden. Die Geburt ist sowohl für die jungen Mütter als auch für die Neugeborenen ein Risiko, bei ihnen ist die Kinder- und Müttersterblichkeit besonders hoch.

Wie viele Fälle von Frühverheiratung gibt es weltweit?

Nach Angaben von UNICEF wurden 650 Millionen heute lebende Frauen weltweit vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet. Ein Drittel von ihnen waren bereits mit 15 Jahren verheiratet. Millionen Mädchen müssen gegen ihren Willen Männer heiraten, die häufig um ein Vielfaches älter sind.

Wo findet Frühverheiratung statt?
Kinder-, Früh- und Zwangsheirat ist auf allen Kontinenten verbreitet, besonders aber in Afrika südlich der Sahara und in Südasien. Rund ein Drittel aller Frauen und Mädchen, die als Kind verheiratet wurden leben in Indien. Des Weiteren gibt es einen großen Unterschied zwischen den ärmsten und reichsten Familien eines Lan-des. So waren 46 Prozent der 20 bis 24-jährigen Frauen aus den ärmsten Haushalten in Indien bereits mit 18 verheiratet. Bei den Frauen aus den reichsten Haushalten war das „nur“ bei 10 Prozent der Fall.

Die Wahrscheinlichkeit in einem Entwicklungsland, früh verheiratet zu werden, steigt um das Dreifache, wenn das Mädchen aus einem armen Haushalt kommt. In Ländern mit niedrigem Einkommen schließen nur 50 Prozent der Mädchen die Sekundarstufe I und 39 Prozent die Sekundarstufe II ab. Besonders gravierend ist die Situation in ländlichen Regionen. Dort ist das Risiko für Mädchen, als Minderjährige verheiratet zu werden, im Vergleich mit Mädchen aus städtischen Gebieten immer noch doppelt so hoch.

Welche Umstände begünstigen Frühverheiratung?
Kinderheirat findet oft in einem sozialen Umfeld statt, das von Armut, mangelnder Gleichberechtigung und fehlendem Schutz der Mädchen und Jungen gekennzeichnet ist. Diese Faktoren gehen oft mit einem begrenzten Zugang zu qualitativ guten Bildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten einher und werden durch tief verwurzelte Traditionen verstärkt.

Fundamental sind Kinder-,Früh-, und Zwangsehen eine Reflektion von Geschlechterdiskriminierung und Einhaltung von traditionallen Rollenbildern. Mädchen wird weniger Wert als Jungen zugesprochen und ein Hauptgrund für die Frühverheiratung ist der Gedanke, dass ein Mädchen keine „Schande“ über die Familie bringen soll in dem sie eine außereheliche Beziehung eingeht.  

Sozialer, familiärer und wirtschaftlicher Druck hält die heranwachsenden Mädchen davon ab, eine weiterführende Schule zu besuchen. Die Kosten für den Schulbesuch steigen mit zunehmendem Alter. Häufig sind Eltern der Annahme, ihre Töchter seien bereit für die Ehe – mit eigenen Kindern und häuslichen Pflichten. Viele Mädchen verlassen die Schule genau in der Phase, in der Bildung sie durch die schwierige Zeit der Jugend begleiten könnte.

Mädchen werden zudem erst von der Gemeinschaft als erwachsene Frauen anerkannt, wenn sie verheiratet sind und Kinder haben. Dieser gesellschaftliche Druck wird auch durch Gleichaltrige erzeugt, die bereits verheiratet und Eltern sind. Eine große Rolle spielt dabei auch das traditionelle Bild, das die in Westafrika sehr populären Nollywood-Filme (romantische Liebesfilme aus Nigeria) von der Rolle der Frau transportieren. Auch in Lateinamerika versuchen die Mädchen häufig durch Ehe und Mutterschaft die Anerkennung als Erwachsene zu erreichen.

Krisen verschärfen die bereits bestehenden Triebkräfte welche zu Kinderheirat sowie  Vorfällen von sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt beitragen. Mit dem Zusammenbruch der sozialen Strukturen kann Kinderheirat oft mit Zwangsrekrutierung, Entführung und Menschenhandel in Verbindung gebracht werden.

Welche Folgen hat die Frühverheiratung für die Gesundheit von jungen Mädchen?
Kinderheirat ist eine große Herausforderung für das Gesundheitswesen. Wenn Mädchen zu früh verheiratet werden, erleben sie eher Gewalt und Missbrauch oder werden zum Geschlechtsverkehr gezwungen. Für sie besteht ein höheres Risiko, sich mit sexuell übertragbaren Krankheiten (einschließlich HIV) zu infizieren.  

Schon während der Schwangerschaft werden viele Mädchen nicht ausreichend medizinisch betreut. Sie erleiden Fehlgeburten oder Nachgeburtsblutungen. Teilweise können sie ihre Babys nicht ausreichend stillen, weil sie selbst mangelernährt sind. Auch Tode von unsicheren Abtreibungen in der Altersgruppe 15-19 sind ein Faktor welche eng an ungewollte Schwangerschaften geknüpft sind.

Das Risiko einer Fehlgeburt, einer Nachgeburtsblutung oder von Gesundheitsproblemen ist bei jungen Frauen ebenfalls höher. Gerade junge Mädchen sind trotz Pubertät körperlich jedoch nicht ausreichend auf eine Schwangerschaft vorbereitet. Dies kann zu Komplikationen in der Schwangerschaft und bei der Geburt führen 

Die Sterblichkeitsrate bei Säuglingen, die von Müttern unter 20 Jahren geboren werden, ist 50 Prozent höher als bei Säuglingen von Müttern im Alter zwischen 20 und 30 Jahren.

Abgesehen von den gesundheitlichen Folgen einer Schwangerschaft müssen sich viele junge Ehefrauen den Schwiegermüttern und eventuellen Erstfrauen unterordnen. Sie werden beispielsweise herumkom-mandiert und müssen den ganzen Tag schwere Hausarbeit verrichten. Das führt zu Konflikten, die häufig darin münden, dass die Ehemänner die jungen Mädchen schlagen, weil es sonst so aussehen könnte, als hätten sie ihre Frauen „nicht im Griff“.

Wie kann Frühverheiratung vorgebeugt werden?
Der Bildungsgrad hat einen entscheidenen Einfluss darauf, wie früh Mädchen heiraten. So haben 51 Prozent der 20- bis 24-jährigen vor ihrem 18. Geburtstag verheirateten Frauen in Lateinamerika keine oder nur Grund-schulbildung. Der Anteil der als Kind verheirateten Frauen mit Sekundarschulbildung oder einem höheren Abschluss lag hingegen bei 18 Prozent. Weltweit gäbe es 64% weniger frühe Heiraten sowie 59% weniger frühe Geburten wenn alle Mädchen ihre Sekundärbildung abschließen könnten. Zu gewährleisten, dass Mädchen in der Schule bleiben ist daher eines der wirksamsten Mittel zur Verhinderung von Kinderheirat.

Eine qualitativ gute Bildung, die traditionelle Geschlechterrollen nicht verstärkt, sondern den Bedürfnissen der Mädchen entspricht, befähigt Mädchen, Kompetenzen und Wissen zu erlangen. Lernen in einem sicheren Rahmen fördert ihr Selbstvertrauen, ihre Rechte selbst einzufordern. Mädchen erhalten so die Chance, ihr volles Potenzial zu entwickeln und freie Entscheidungen über ihr Leben zu treffen. Dazu gehört auch, wann und wen sie heiraten wollen, sowie selbstständig Entscheidungen, die ihre sexuelle und reproduktive Gesundheit betreffen.

Was tut die Staatengemeinschaft gegen Frühverheiratung?
1989 unterzeichneten alle Staaten - mit Ausnahme von Somalia und den USA - die Konvention über die Rechte des Kindes. Inzwischen ist sie auch von fast allen Staaten ratifiziert worden. Die Kinderrechtskonvention ist das erste internationale Abkommen, das allgemein gültige, rechtlich verbindliche Standards für eine Kindheit aufstellt und Kinderrechte verbindlich zusammenfasst. Sie macht deutlich, dass Kindheit eine vom Erwachsenenalter getrennte Lebensphase ist und als ein geschützter Raum anzusehen ist.

Staaten, die die Konvention ratifiziert haben, verpflichten sich, durch entsprechende nationale Gesetze die Rechte der Mädchen und Jungen zu sichern. So sieht beispielsweise Artikel 34 den Schutz vor sexuellem Missbrauch vor.

Es herrscht auch auf der internationalen Ebene zunehmend Konsens darüber, dass Kinderheirat schwerwiegende Auswirkungen auf die Realisierung vieler Kinderrechte hat und besonders Mädchen davon abhält, Zugang zu Bildung zu erlangen. Zahlreiche internationale Menschenrechtsvereinbarungen und nationale Gesetze verbieten die Verheiratung von Minderjährigen bzw. von Kindern, auch wenn sie vielerorts nicht umgesetzt werden.

Welche Maßnahmen ergreift Plan, um Frühverheiratung zu verhindern?
Mit seiner Kampagne Girls Get Equal setzt sich Plan dafür ein, weltweit echte Gleichberechtigung für Frauen und Männer zu erreichen: gleiche Chancen, gleiche Teilhabe, gleiche Möglichkeiten - überall auf der Welt, in allen Bereichen. Mädchen und junge Frauen sollen mehr Wahlmöglichkeiten im Leben haben und die Chance bekommen, eine aktive Rolle in ihren Gemeinden zu spielen. Mit der Stärkung der Position von benachteiligten Mädchen setzt Plan alles daran, den generationsübergreifenden Kreislauf von Armut, Unsicherheit und mangelnder Gesundheit zu durchbrechen.

Plan greift dabei auf langjährige Erfahrungen in der direkten Zusammenarbeit mit Kindern, Familien und Gemeinden zurück. Dies unterstützt das Anliegen von Plan, Einstellungen und Verhaltensweisen zu verändern, die Kinderheirat Vorschub leisten. Um dieses globale Menschenrechtsthema erfolgreich angehen zu können, ist die Zusammenarbeit mit Partnern auf nationaler, regionaler und internationaler Ebene notwendig. Eine wichtige Voraussetzung, um politischen Willen zu erzeugen und die notwendigen Ressourcen zu mobilisieren, damit Regierungen nationale Aktionspläne zur Abschaffung der Kinderheirat umsetzen können.

Wie agiert Plan auf internationaler Ebene?
Mit seinem Bericht „Nein zur Frühverheiratung: Kinderheirat beenden und Mädchen den Schulbesuch ermöglichen“ ruft Plan International dazu auf, abgestimmte und integrative Maßnahmen auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene zu ergreifen, damit Millionen von Mädchen vor einer frühen Verheiratung geschützt sind. Sie sollen weiter die Schule besuchen und von einer qualitativ guten Bildung profitieren können.

  • Wir tragen dazu bei, dass Schulen für Jungen und Mädchen erreichbar sind und ihnen die hochwertige Bildung und Förderung bieten, die sie brauchen.
  • Wir arbeiten mit Jungen und Mädchen zum Thema Gleichberechtigung und ihrem Rollenverständnis. So werden eigene Rollen hinterfragt und geschlechtsspezifische Gewalt abgebaut.
  • Wir nutzen Medien wie Radio, Fernsehen, Internet und soziale Medien, um mit Programmen und Spots zu Kinderrechten und schädlichen traditionellen Praktiken wie frühe Heirat aufzuklären und ein gesellschaftliches Umdenken in Gang zu setzen.
  • Jugendliche erhalten die Möglichkeit, eine Berufsausbildung zu absolvieren.
  • Für bereits verheiratete Mädchen bieten wir Möglich-keiten, weiter eine Schule zu besuchen, eine Ausbil-dung zu machen oder an einkommenschaffenden Maßnahmen teilzunehmen.
  • In unseren Nothilfeprojekten arbeiten wir zusammen mit Gemeinden an der Prävention von Kinderhandel, von Zwansverheiratung, geschlechtsbasierter Gewalt, sowie mit Überlebenden sexueller Gewalt.
  • Mädchen und junge Frauen sollen ihre Meinung frei sagen können und für ihre Rechte eintreten, ohne dass ihnen Gewalt und Diskriminierung drohen. Sie sollen selbst bestimmen können, wo und wie sie leben wollen – und mit wem.

Mädchen und junge Frauen brauchen adäquate Rollenvorbilder. Und wir wollen das Frauen-Bild in der Öffentlichkeit ändern. Mädchen und junge Frauen sollen als starke Persönlichkeiten dargestellt werden, die alles erreichen können. Wir wollen die überkommenen Rollenbilder und Stereotypen ändern, die noch immer zu häufig benutzt werden: in den Medien, in der Bildung, in der Werbung.

Welche Möglichkeiten gibt es, Plans Einsatz gegen Frühverheiratung zu unterstützen?
Mit der Übernahme einer Patenschaft oder einer Spende in den Mädchenfonds tragen die Paten und Förderer ganz wesentlich dazu bei, die Position der Mädchen in ihren Familien und Gemeinden zu stärken. Gemeinsam mit den Kindern, Familien und Gemeinden setzt Plan sich dafür ein, dass Mädchen wie Jungen ihre Rechte auf Bildung, Gesundheit, Schutz, Freizeit und gesellschaftliche Teilhabe wahrnehmen können. Einen besonderen Fokus legt Plan darauf, Mädchen genauso wie Jungen weltweit den Zugang zu Bildung zu ermöglichen, alle Kinder und Jugendliche sollen die Schule besuchen und abschließen können, auch wenn sie im Haushalt und auf dem Feld helfen müssen.

Außerdem werden über die Patenschafts-Beiträge Familien in strukturschwachen Regionen  mit Mikrokreditprogrammen und Schulungen dabei unterstützt, das Familien-Einkommen zu sichern, sodass Mädchen nicht aufgrund von wirtschaftlicher Not verheiratet werden müssen.

Lesen Sie mehr in unserer Hintergrundinformation "Frühe Heirat"