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Am Strand des tansanischen Bagamoyo legten früher die Sklavenschiffe ab, heute ist hier der Fischmarkt. © Plan International/Marc Tornow
29.01.2019 - von Marc Tornow

Ein Platz an der Sonne

Von einer geräumigen Terrasse aus fällt der Blick auf den Indischen Ozean, der vor einer Kulisse aus Palmen funkelt. Unten knattern dreirädrige Motorrikschas über porösen Asphalt. Die frühere Kaiserstraße zerteilt das Städtchen Bagamoyo in zwei Hälften: Einen Küstenstreifen voller Fischerhütten und um ein Auskommen ringende Menschen sowie die Ruinen der deutschen Kolonialverwaltung, von der aus all dies im Blick ist.


Unter der Devise „Ein Platz an der Sonne“ hatten sich Kolonialisten aus dem Deutschen Reich ab 1860 mit vertraglichen Tricksereien die strategisch besten Ländereien gesichert. Das administrative Zentrum der Deutsch-Ostafrikanischen-Gesellschaft, von dem aus die weitere Eroberung der Region geplant wurde, war eben jener Bau mit orientalisch anmutenden Türmchen. Wenige Minuten entfernt nur steht das alte Fort, das noch auf den Sultan von Oman zurückgeht. Seine Besatzer waren noch vor den Deutschen um 1700 entlang der Küsten des damaligen Tanganjikas an Land gegangen.

Wo inzwischen das örtliche Tourismusamt untergebracht ist, siechten früher Menschen eingekerkert dahin. Angetrieben von den Heeren des Sultans waren sie in Karawanen aus der Mitte des Kontinents bis hierher ans Meer gelangt. Beladen mit kostbaren Lasten von Elfenbein und Edelhölzern hatten sie Hunderte Kilometer zu Fuß zurückgelegt. Wer die Tortur lebend geschafft hatte, endete in den klammen Mauern des Forts, und nach kurzem Aufenthalt auf einer Dhow – einem kleinen Segelschiff – mit Ziel Sklavenmarkt Sansibar.

Bagamoyo heißt auf Kisuahili so viel wie „lege dein Herz nieder“. Die Opfer verabschiedeten sich hier beim Gang an Deck der Segelboote im wahrsten Sinne des Wortes von ihrem bisherigen Leben. Bis jetzt sind die robusten Schiffe aus Mahagoni-Holz vor den Küsten Tansanias unterwegs. Die Dhows mit den markanten dreieckigen Segeln transportieren heute Nahrungsmittel, Softdrinks, Elektro- oder Haushaltsartikel zwischen dem Festland und den vorgelagerten Inseln hin und her.

In der Distanz draußen im Meer ist die Silhouette von Stone Town auszumachen. Jener Ort drüben im nur 34 Kilometer entfernten Sansibar, über den jahrzehntelang der Sklavenhandel abgewickelt worden war, und der sich jetzt bei guter Sicht vom Dach der ehemaligen deutschen Kolonialverwaltung aus erahnen lässt.

Unten am Strand umspült eine trübe Dünung den örtlichen Fischmarkt. Auf Reede voraus liegen hölzerne Boote und motorisierte Nussschalen, die mal Passagiere befördern, mal als improvisierte Fischtrawler auslaufen. Entlang der früheren Kaiserstraße und heutigen India Road aber hatten die früheren Machthaber Mangobäume anpflanzen lassen. Sie suchten sich eine Miniatur dessen aufzubauen, was sie einst in ihrer Heimat so geliebt hatten: eine Landstraße als urwüchsige Allee unter der Sonne Afrikas.