Informieren
  1. Magazin
Sie haben Fragen?
Plan Illustration Economic Security
26.08.2019 - von Lara W. aus dem Plan-Jugendbeirat

Der Kabinettsentwurf für den Haushalt 2020 und was das mit deiner Zukunft zu tun hat

Am 26. Juni 2019 hat die Bundesregierung den Kabinettsentwurf für den Bundeshaushalt 2020 vorgestellt. Klingt trocken und öde, nicht wahr? Ist es aber nicht! Denn tatsächlich geht es hier um Entscheidungen mit direktem Einfluss auf die Welt, in der wir leben. Nur wenn wir Bescheid wissen, können wir mitreden und fordern, dass Versprechen gehalten werden. Worum es genau geht und warum das Thema gerade für junge Menschen wichtig ist, möchte ich euch im Folgenden erklären.

 

Aber ganz von Anfang an…. ein Kabinettsentwurf, was ist das eigentlich ganz genau?

Jedes Jahr geben die verschiedenen Bundesministerien Geld für verschiedene Projekte und Maßnahmen aus. Dabei kann es darum gehen, Schulen auszubauen, die Internetverbindung in gewissen Regionen Deutschlands zu verbessern oder humanitäre Hilfe zu leisten. Die Finanzen dafür kommen aus Steuergeldern. Aber welches Ministerium kriegt jetzt wie viel Geld für seine Projekte? Genau das wird in der Haushaltsplanung entschieden. Dafür gibt es neben der mittelfristigen Finanzplanung über mehrere Jahre für jedes Jahr eine neue Haushaltsplanung  - den konkreten Bundeshaushalt. Der Planungsprozess beginnt bereits im Vorjahr. Das Ganze ist ein Prozedere in mehreren Schritten. Als erstes legt das Finanzministerium einen sogenannten Eckwertebeschluss vor. Darin werden schon einmal grob die erwarteten Entwicklungen der Einnahmen und Ausgaben im nächsten Jahr skizziert und ungefähr festgelegt, welches Ministerium wieviel Geld bekommt. Auf Grundlage dieses Eckwertebeschlusses erstellt die Bundesregierung dann einen detaillierten Haushaltsplan, den Kabinettsentwurf. Dieser Kabinettsentwurf wird dann schließlich im Bundestag debattiert und abgestimmt. Diese Debatte ist eine der wichtigsten im Bundestag, denn hier geht es um grundlegende Entscheidungen wie die Politik im Alltag aussehen wird.

Ok, und wo sind wir jetzt gerade?

Am 20. März 2019 hat Finanzminister Scholz den Eckwertebeschluss für den Haushalt für 2020 vorgestellt. Dieser wurde sehr kontrovers diskutiert, denn Scholz sah in einigen Bereichen Kürzungen vor. Zu den Bereichen, in denen gespart werden sollte, gehörte in der mittelfristigen Finanzplanung auch die Entwicklungszusammenarbeit. Viele zivilgesellschaftliche Organisationen haben laut dagegen protestiert, gerade im Moment, in dem wir uns globalen Herausforderungen wie der Klimakrise, wachsender globaler Ungleichheit,  bewaffneten Konflikten und weltweit mangelnder Gleichberechtigung gegenübersehen. Denn Entwicklungszusammenarbeit zielt genau darauf ab, diese globale Herausforderungen zu adressieren und ihnen  Antworten  entgegenzusetzen.   

Am 26.06.2019  legte dann die Bundesregierung auf Basis der oben beschriebenen Eckwerte ihren Kabinettsentwurf vor. In dem Kabinettsentwurf sieht die Situation der Entwicklungsfinanzierung für 2020 etwas besser aus, als noch in dem Eckwertebeschluss, doch wenn man sich die langfristigere Finanzplanung anschaut, kann man besorgniserregende Entwicklungen erkennen. 2020 sollen die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit zwar auf 10, 3 Milliarden Euro leicht ansteigen. Für die nächsten Jahre bis 2023  dann aber absinken.

Was ist denn der Stand bei der Entwicklungsfinanzierung und warum kritisiert Plan International  die Entwicklungen? 

Entwicklungszusammenarbeit bezeichnet die Zusammenarbeit zwischen staatlichen, nichtstaatlichen und privaten Akteuren aus Deutschland und anderen Industrieländern mit Institutionen, Organisationen, Gemeinden und Städten in sogenannten ‘Entwicklungsländern’. Oft sind auch internationale Organisationen beteiligt. Gemeinsam arbeiten sie daran eine gerechtere Welt zu schaffen und Menschenrechte umzusetzen. Es geht zum Beispiel darum, dass Recht auf Bildung, auf Gesundheit,  auf Freiheit und Selbstbestimmung umzusetzen. Es geht darum darauf hinzuarbeiten, dass endlich alle Menschen  ihre grundlegenden Rechte wahrnehmen können. Laut Social Progress Index,   sind in 75 von 146 Ländern Rückschritte in der Gewährung  persönlicher Rechte und 56 in der gesellschaftlichen Teilhabe ihrer Gesellschaft für alle Menschen gemacht.

Die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen,  auch Deutschland, haben die  Agenda 2030  unterschrieben und damit versprochen,  sich für Ziele wie die extreme Armut bis 2030 weltweit zu beenden, allen Menschen Zugang zu qualitativ guter Bildung zu ermöglichen und Geschlechtergerechtigkeit zu stärken, einzusetzen. Die Agenda 2030 steht unter dem Aufruf: Leave no one behind! - Wir wollen niemanden zurücklassen  auf unserem Weg in die Zukunft. Alle sollen daran teilhaben. Dafür ist ein besonderes Engagement für die Rechte von Menschen nötig, die häufig besonderer Benachteiligung in ihrem Alltag ausgesetzt sind. Dazu gehören Mädchen und Frauen, Menschen mit Behinderung, Menschen aus der LGBTQ*-Community, ethnische Minderheiten und Menschen auf der Flucht. Erst wenn diese Menschen ihre Rechte wahrnehmen und ihr Potential entfalten können, wird es auch richtigen Fortschritt geben.

So schreibt der aktuelle Bericht zur Entwicklungszusammenarbeit der OECD (Intergovermental Economic Organisation) im Bezug auf Mädchen- und Frauenrechte:  Nachhaltige Entwicklung wird nicht möglich sein, wenn der Hälfte der Menschheit immer noch grundsätzliche Rechte  und Möglichkeiten für ein nachhaltiges Leben verwehrt werden. Vielen Frauen ist es immer noch nicht möglich ihre Anliegen im politischen Raum anzubringen, Politik mitzugestalten oder Zugang zu qualitätsreichere Gesundheitsversorgung zu haben. 

Die Umsetzung der Menschenrechte und der Agenda 2030 sind entscheidende Schritte in eine Welt, die für uns alle lebenswert ist. Entwicklungszusammenarbeit kann dazu beitragen, die Ziele zu erreichen.Deshalb verpflichteten sich die Industrieländer wie Deutschland bereits 1970 dazu, jährlich mindestens 0,7% ihres Bruttonationalprodukts, also der gesamten Einnahmen eines Landes in dem Jahr, für Entwicklungsfinanzierung auszugeben. Doch Deutschland hat dieses Ziel seitdem nur ein einziges Mal umgesetzt. Das war 2016, als viele Flüchtlinge nach Deutschland kamen. Denn Deutschland rechnete Kosten für die Erstversorgung von Flüchtlingen auf seine Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit (die sogenannte ODA-Quote) an. Ohne diese Anrechnung wäre auch 2016 das Ziel nicht erreicht worden.  

Zwar hat sich die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag 2017 das Ziel gesetzt, ein Absinken der ODA-Quote zu verhindern und langfristig darauf hinzuarbeiten, dass das 0,7%-Ziel endlich erreicht wird. In der aktuellen Finanzplanung sieht das aber nicht danach aus. Auch das Versprechen jährlich 0,15-0,2% des Bruttonationalprodukts für die sogenannten ‘Least Developed Countries’, die am wenigsten entwickelte Länder, die sich besonderen Herausforderungen in der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebensstandard gegenüber sehen, wurde bisher nicht eingehalten. 

Aber wenn wir jetzt mal ganz ehrlich sind, weder 0,15-0,2% noch 0,7% sind wirklich viel. Noch nicht mal ein Prozent des Bruttonationaleinkommens. Ist das wirklich so schwierig zu erreichen? Mal im Vergleich dazu: Das Verteidigungsministerium erhält 2020 44,9 Milliarden Euro und soll 2023, trotz  Kürzungen in den Jahren nach 2020, immer noch 1,24% des Bruttonationaleinkommens erhalten - das heißt mehr als das doppelte des nur ein einziges Mal erreichte 0,7%-Ziels! Warum geben wir Millionen Euro für Militär aus, vernachlässigen gleichzeitig aber die Finanzierung von ziviler Konfliktbearbeitung und Friedensförderung und Entwicklungszusammenarbeit, die nachhaltig dazu beitragen kann, dass Konflikte erst gar nicht ausbrechen und sich um die Menschen kümmert, die durch Konflikte ihre Lebensgrundlagen verloren haben und noch lange mit den Folgen von Krieg leben müssen?  


Aha, aber warum ist das wichtig?    

Wenn du jetzt noch nicht überzeugt bist, dass die Bundesregierung dringend nachbessern muss bei der Entwicklungsfinanzierung, hier noch einige der vielen weiteren Argumente: 

Die Bundesrepublik hat eine vielschichtige Verpflichtung, sich für eine gerechtere Welt einzusetzen. 

Unser Wohlstand baut auf eine ungleiche Verteilung von Macht und Wohlstand weltweit auf. Wenn alle Menschen so leben würden, wie wir  hätten wir 2016 schon 2,97% Erden gebraucht - da kann ja etwas nicht stimmen. Wir können einen derartigen Lebensstil nur auf Kosten anderer führen. Als Industrieland trägt Deutschland überproportional zur Zerstörung natürlicher Ressourcen und der Klimaerwärmung bei. Die Folgen treffen unfairerweise allerdings andere Länder viel stärker, die viel weniger beitragen.Wir tragen mit unserem Handeln und  Lebensstil dazu bei, dass globale Ungleichheit verstärkt wird. Sei es auf politischer Ebene durch unfaire Handelsabkommen  oder durch die Orangen oder das T-Shirt, deren Preis nur durch unfaire Löhne zustande kommen kann, um mal ein Beispiel aus unserem eigenen Alltag zu nehmen. 

Und dann ist da auch noch Deutschlands Verantwortung gegenüber uns, der jungen Generation, und der Welt in der wir leben werden. Wer möchte nicht gerne in einer friedlicheren Welt leben, auf einem intakten Planeten? In einer Welt, in der kein Mensch mehr hungern muss und alle Menschen ihr Potential ausschöpfen können, weil sie Zugang zu qualitativer Bildung haben und weder Geschlecht noch Herkunft oder ähnliches sie zurückhält ihre Träumen zu realisieren. 

Und es muss nicht so sein. Wir können es noch ändern. Die Lösungsansätze sind schon da: in die Menschen investieren, die Benachteiligung erfahren, und ihnen möglich machen, ihre Rechte endlich wahrzunehmen und ihre Stimmen zu hören.  Wenn Mädchen und Frauen Zugang zu angemessener Gesundheitsversorgung und Informationen bekommen, bekommen sie später und gesündere Kinder. Wenn alle Mädchen die Möglichkeiten hätten, die Sekundarschule abzuschließen, so würden laut UNESCO nur halb so viele Kinder weltweit sterben. Wenn Mädchen und Frauen Zugang zu Bildung und Mitspracherechte erhalten, schützen sie sich und ihr Umfeld besser vor Naturkatastrophen und extremen Wetterereignissen und verhindern damit, Todesfälle und Existenzverluste durch die Folgen der menschengemachten Klimakrise. Wenn Mädchen und Frauen ihr Recht auf politische und gesellschaftliche Teilhabe wahrnehmen können, bringen sie eine wichtige Perspektive in die Politik ein, wie das Beispiel der jungen Plan-Aktivistinnen Sarita und Sabina aus Nepal zeigt. Sie haben  ihren Bürgermeister mit einer internationalen Petition aufgefordert, sich gegen Menschenhandel stark zu machen, der in Nepal mehr als 8000 Frauen und Mädchen jährlich betrifft.

Aber damit Mädchen und Frauen wie Sabina und Sarita nötige Veränderungen anstoßen können, muss in ihr Potential investiert werden. Laut Berechnung der Vereinten Nationen können wir die Nachhaltigkeitszeile der Agenda 2030 erreichen, dafür müssen aber jährlich 6 Billionen US-Dollar mehr zur Verfügung stehen. Die Bundesregierung muss ihren Anteil daran leisten und zu dem Versprechen stehen: Leave no one behind!

Wir vom Jugendbeirat von Plan International Deutschland e.V. beobachten die Entwicklung der Entwicklungsfinanzierung kritisch und fordern die Bundesregierung auf, ihre Versprechen zu halten und in die Welt, in der wir leben werden, zu investieren.