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Schnellstraßen schließen die altehrwürdige Zitadelle von Kairo ein. © Foto: Plan International/Marc Tornow
02.05.2019 - von Marc Tornow

„Blade Runner“ am Nil

In einem Slum Kairos unterstützen wir Mädchen mit unserem „Safer Cities for Girls“-Projekt. Was auf dem Weg dorthin zu sehen ist, hat unser Kollege Marc Tornow in der ägyptischen Hauptstadt erlebt.


Es hat etwas von einem Science-Fiction-Film. Eine Szenerie, die etwas Surreales birgt. Wolken wabern über dem Land am Nil und seiner von Pharaonen geprägten Kultur. Von dieser ist fürs Erste nichts zu sehen. Vielmehr scheint es, als sei die bewegte Vergangenheit mit dem letzten Standsturm – dem berüchtigten Chamsim – verweht worden.

An der Nil-Cornish, der prominenten Uferstraße entlang des Hausgewässers der ägyptischen Hauptstadt, drücken sich Gebäude aus den 1920er-Jahren zwischen Alleen aus verknöcherten Azaleen und Bougainvillea. Sie trotzen einer Stadtlandschaft, als deren bauliche Krönung in den 1990er-Jahren ein Dutzend gewaltiger Wohnhochhäuser zwischen dicht besiedelte Gassen gesetzt worden sind. 28 Stockwerke hohe monolithische Wohnstruktur.

Der Smog und die abendliche blaue Stunde drum herum verwandeln die Nachbarschaft mit ihren Apartmenttürmen in eine unwirkliche Szenerie. Klimaanlagen kleben vor den Fenstern, auf nackten Betonfassaden montiert. In der unbestimmten Abenddämmerung verleihen sie dem Vorort Maadi eine Atmosphäre, die auch die Vorlage für einen Science-Fiction-Film vom Schlage „Blade Runner“ hätte sein können.

Von den vielen kulturellen Schätzen ist schließlich doch etwas zu sehen: Mitten im nimmer müden Stau der Stadt taucht als erster ein Aquädukt auf, über dem in der mamlukischen Zeit Nilwasser zur Zitadelle geschickt worden war. Das Fort selbst, auf einem Hügel oberhalb der Altstadt gelegen, umrahmt eine gewaltige Mauer. Silbrig glänzen dort oben im Sonnenschein die Kuppeln der Sultan-Ali-Moschee und überstrahlen magisch als ein Wahrzeichen die große Metropole – eine andere Form surrealer Stadtlandschaften.

Zu ihr gehört das altehrwürdige Zentrum von al-Qahira. Die „Siegreiche“, wie Kairo auf Arabisch heißt, bietet fest etablierte Geschäfte für mittelöstliche Literatur, orientalische Parfüms oder bunt bestickte Kleider. Die Läden wirken, als seien sie wie die Bauten drum herum schon seit rund 100 Jahren unverändert am selben Ort geöffnet. So auch die Teehäuser, die hinter hölzernen Flügeltüren auf Kundschaft warten. Es sind meist Männer, die drinnen unter gleißendem Neonlicht oder draußen auf verschrammten Kaffeehausstühlen auf einen Schwatz, einen starken Schwarztee oder eine Wasserpfeife einkehren.