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100 Jahre nach Inkrafttreten des Frauenwahlrechts sind Frauen in der Politik zwar keine Ausnahme mehr, aber sie sind noch längst nicht die Regel. © Plan International / Kyle Parsons
100 Jahre nach Inkrafttreten des Frauenwahlrechts sind Frauen in der Politik zwar keine Ausnahme mehr, aber sie sind noch längst nicht die Regel. © Plan International / Kyle Parsons
12.11.2018 - von Anne Rütten

100 Jahre Frauenwahlrecht: Das war erst der Anfang!

Das Wahlrecht ist eines der elementarsten unserer demokratischen Grundrechte. Für Frauen in Deutschland gilt das noch gar nicht so lange. Politische Teilhabe von Frauen ist trotzdem noch längst nicht selbstverständlich.

Am 12. November 1918 wurde in der Weimarer Verfassung das Wahlrecht für Männer und Frauen ab dem 20. Geburtstag gesetzlich verankert. Ein Meilenstein in der Geschichte der Demokratie in Deutschland und ein bedeutungsvoller Schritt in Richtung Gleichberechtigung.

Marie Juchacz war die erste Frau, die in der Weimarer Nationalversammlung eine Rede hielt. Am 19. Februar 1919 sagte die Sozialdemokratin: "Ich möchte hier feststellen [...], dass wir deutschen Frauen dieser Regierung nicht etwa in dem althergebrachten Sinne Dank schuldig sind. Was diese Regierung getan hat, das war eine Selbstverständlichkeit: Sie hat den Frauen gegeben, was ihnen bis dahin zu Unrecht vorenthalten worden ist."

Im Deutschland des 19. Jahrhunderts hatten Frauen kaum Rechte
Starke Worte von einer starken Frau, die gemeinsam mit vielen weiteren Frauen ihr Recht auf Mitbestimmung und politische Teilhabe lange einfordern und hart erkämpfen musste. Denn im Deutschland des 19. Jahrhunderts hatten Frauen nicht nur kein Wahlrecht, sie hatten auch kein Recht auf Erwerbstätigkeit oder persönlichen Besitz. Sie waren als Ehefrauen sozial und ökonomisch von ihren Ehemännern abhängig. Frauen wurde durch ihre Fähigkeit, Kinder zu bekommen, eine "natürliche" Bestimmung für den privaten, scheinbar politikfernen Bereich zugeschrieben. Oftmals wurde ihnen vorgehalten, sie seien nicht intelligent genug und zu emotional, um Entscheidungen zu treffen. So durften sie bis ins Jahr 1908 nicht einmal Mitglied in politischen Vereinen sein - und natürlich auch keine eigenen Vereine gründen. Nachdem das Verbot aufgehoben war, erstarkte die Frauenbewegung. Trotzdem sollte es noch zehn weitere Jahre dauern, bis das Frauenwahlrecht in Kraft trat.

Das Recht, zu wählen, war erst der Anfang
Das Frauenwahlrecht war der Schlüssel zu vielen weiteren Rechten, die sich Frauen in den letzten 100 Jahren in Deutschland erkämpft haben: 1949 wurde im Grundgesetz verankert, dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind. 1958 wurde der so genannte Gehorsamsparagraf - auch bekannt als „die Haushaltsehe“ - abgeschafft, nach dem die Frau in allen Bereichen der alleinigen Entscheidung des Ehemannes unterstellt war. Die Vergewaltigung in der Ehe wurde aber erst 1997 strafbar. In den 1960er Jahren verhalf die Antibabypille Frauen dazu, selbst bestimmen zu können, ob und wann sie Kinder bekamen. Dass sie ohne Strafe eine ungewollte Schwangerschaft beenden konnten, dauerte noch bis 1974. 2007 ist die Elternzeit in Kraft getreten, durch die sich beide Elternteile die Kindererziehung teilen können.

Politische Teilhabe 2018: (K)Eine Selbstverständlichkeit
Es wurde viel erreicht. Und doch ist noch viel zu tun. Denn Frauen in der Politik und anderen Entscheidungspositionen sind auch heute - 100 Jahre nach dem Inkrafttreten des Frauenwahlrechts in Deutschland - eines eben nicht: selbstverständlich. Noch nie war ein Parlament in Deutschland gleichberechtigt, also paritätisch, mit Frauen und Männern besetzt. Zwar sind Frauen in der Politik keine Ausnahme mehr, aber sie sind noch längst nicht die Regel. Das Kabinett von Angela Merkel (inklusive der Kanzlerin selbst) ist mit 7 Frauen und 9 Männern zwar das bisher weiblichste in der Geschichte der Bundesrepublik, doch der Eindruck täuscht: Der Anteil weiblicher Abgeordneter liegt aktuell bei 31 Prozent und ist im Vergleich zur vorherigen Legislaturperiode um sechs Prozent gesunken.

Auch der internationale Vergleich zeigt: Deutschland schneidet bei politischer Gleichberechtigung nur mittelmäßig ab. Obwohl das Land seit 12 Jahren von einer Frau regiert wird, landet Deutschland nur auf Platz 13 im Ranking der Länder, in denen Mädchen und Frauen die größten Chancen auf eine politische Karriere haben. Das hat verschiedene Gründe: ungleiche Macht- und Entscheidungsstrukturen, die Unvereinbarkeit von Familie und Beruf oder ungleiche Bezahlung. Nur gut sieben Prozent aller Regierungschefs sind Frauen. Weltweit ist nicht einmal ein Viertel der Abgeordneten in den nationalen Parlamenten weiblich. Und wenn, dann sind sie in den meisten Fällen über 30 Jahre alt.

Der Blick über den Tellerrand
Besonders schlecht sind die Bedingungen für Mädchen in Westafrika, zum Beispiel in Mali: Eine sehr niedrige Alphabetisierungsrate und eine hohe Rate an Frühverheiratungen führen dazu, dass Mädchen dort kaum Gehör finden. Ein strenger Familienkodex, der Frauen vorgibt, dass sie ihren Männern gehorchen müssen, dass sie keine Rechte haben, Land zu erwerben oder ihren Wohnort selbst zu wählen, lässt sie nahezu unsichtbar werden.

#GirlsGetEqual: Höchste Zeit für echte Gleichberechtigung
Was für uns in Deutschland selbstverständlich ist, ist für Millionen Mädchen und Frauen in anderen Ländern sogar lebensgefährlich. Sie können ihre Meinung nicht frei äußern, nicht über ihren Körper und auch nicht über ihr Leben selbst bestimmen. Gerade deshalb ist es so wichtig, an Tage wie den 12. November 1918 zu erinnern. Daran zu erinnern, dass Frauen die Fähigkeit haben, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen und ungerechte Umstände zu ändern.

#GirlsGetEqual heißt deshalb Plans neue globale Kampagne, die Mädchen und Frauen darin unterstützt, gleiche Chancen, gleiche Teilhabe, gleiche Möglichkeiten einzufordern - überall auf der Welt, in allen Bereichen. Echte Gleichberechtigung für Frauen und Männer eben. Jedes Mädchen und jede junge Frau soll selbstbestimmt leben und die Welt um sich herum mitgestalten können. Mädchen und junge Frauen werden als Führungskräfte, Wegbereiterinnen und aktive Mitglieder der Gesellschaft geschätzt und in ihrem Einsatz für gesellschaftlichen Wandel unterstützt.