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Der Lehrer und heutige Schuldirektor Hong Eng Keang mit Schulkindern. © Foto: Plan/Marc Tornow
Der Lehrer und heutige Schuldirektor Hong Eng Keang mit Schulkindern. © Foto: Plan/Marc Tornow
13.06.2018 - von Marc Tornow

Vom Kriegsschauplatz zur Musterschule

Dem Genozid der Roten Khmer in Kambodscha folgten bewaffnete Konflikte. Erst 1997 schwiegen endlich auch im Distrikt Srei Snam die Waffen – nur eine Autostunde vom Welt-Kulturerbe Angkor Wat entfernt. Mitten im Scherbenhaufen der Geschichte blieben viele Kinder ohne Bildung. Den überraschenden Wandel schaffte ein Lehrer.


Es ist Herrn Keang nicht anzumerken, welche Torturen er hinter sich hat. Seine sanfte Stimme gerät ins Schwärmen, wenn er vom Hier und Heute plaudert. Da sei der schattige Garten, den der 51-Jährige zusammen mit den Schülerinnen und Schülern des Makara Gymnasiums angelegt hat. Zwischen all den Flachbauten mit Klassenzimmern pflanzten sie Bäume, ebneten Wege und führten sogar ein System zur Mülltrennung ein. Es seien die jungen Leute selbst, die viele Änderungen auf dem Schulgelände anstießen und dann auch umsetzten, betont Keang. Und tatsächlich fühlt man sich draußen wie in einem Park, der genügend Rückzugsmöglichkeiten zum Lernen bietet.

 

Kaum vorstellbar, dass noch bis 1997 in unmittelbarer Nähe dieser High School gekämpft wurde. Keang und andere Lehrer, die die Roten Khmer wie durch ein Wunder zuvor nicht ermordet hatten, trugen damals Waffen – zum Schutz der Schule und der Kinder. Hinter hohen Zäunen stand da grade mal das kleine Einmaleins auf dem Programm.

Die Roten Khmer hatten sich nach dem Fall der Hauptstadt Phnom Penh 1979 hierher in die Wälder im Westen des Landes zurückgezogen. Jahrelang wechselten sie und reguläre kambodschanische Truppen ihre Stellungen in den nahen Hügelketten, ohne dabei Rücksicht auf Dörfer und ihre Bewohner zu nehmen. So schickten Generationen von Eltern ihre Kinder überhaupt nicht zum Unterricht.

Diejenigen, die die wenigen Kinder in jenen unruhigen Jahren unterrichteten, bekamen ihren Lohn in Naturalien wie Reis ausgezahlt. Nachts hätten alle Angst gehabt – davor, ins Kreuzfeuer zu kommen oder überfallen zu werden, erinnert sich Keang.

Erleichtert, diese turbulente Zeit unbeschadet hinter sich gelassen zu haben, blickt der Lehrer heute voraus. Jetzt sei endlich wieder die Zeit, in der Schulen keine Schutzzäune mehr bräuchten. Stattdessen legte der heutige Schuldirektor mit seinen jungen Schützlingen unlängst einen Kräutergarten an, um auch traditionelles Wissen zu heilsamen Sorten wiederzubeleben. Vor allem aber träumt der engagierte Überlebenskünstler von einer Bibliothek auf dem Gelände der Makara High School, die allen Menschen offensteht. Sie soll für Diskussionen, für Austausch mit den Nachbarn sorgen.