Foto © Alf Berg / Stiftung Hilfe mit Plan

Peru: Hoffnung am Horizont über den Anden

von Stiftung Hilfe mit Plan

Im Oktober 2019 reiste die Stiftung Hilfe mit Plan mit Unterstützerinnen und Unterstützern nach Peru, um sich ein Bild von den Projekten vor Ort zu machen. Auch Journalistin Annette Waldmann reiste gemeinsam mit ihrer Tochter mit. In einem Gastbeitrag schildert sie ihre Erlebnisse.

Die Hoffnung leuchtet in goldenen Lettern von der Wand: „Mi Futuro“ hat Flora unter ein Bild geschrieben, das zeigt, wie sie sich ihre Zukunft vorstellt: Ein hübsches Haus ist zu sehen, gemauert aus Adobe-Steinen, den landestypischen sonnengetrockneten Lehmquadern. Mit rotem Ziegeldach, Holzbalkon und lehmgelbem Putz. „Bienvenidos“ steht über der Tür. Und in der Inka-Sprache Quechua: „Allin Hamukuy“ – „Herzlich willkommen“.

Floras Zukunftspläne

Flora möchte ein Hostel für Trekking-Touristen aufbauen. Ein guter Plan: Der Ort, in dem die 24-Jährige lebt, liegt auf über 3.000 Meter Höhe nahe der alten Inka-Festung Pisac, in einem Andendorf mit atemberaubendem Blick auf schneebedeckte Gipfel. Alle Teilnehmer der Projektreise nicken anerkennend. Und Flora fährt freudig fort: Einen Stall will sie bauen für Vieh. Einen Garten möchte sie anlegen und Gemüse ziehen, ein kleines Restaurant eröffnen und ihre Gäste mit eigenen Produkten bewirten. Wir nicken wieder begeistert. Die Euphorie der jungen Peruanerin ist ansteckend.

Und Flora ist noch nicht fertig: Mit ihrer Mutter will sie die naturgefärbten Bänder weben, die Touristen als Souvenirs so lieben. Zustimmendes Gemurmel. Und wenn alles gut läuft, will sie ihrer Familie ein Auto kaufen. Wir stocken kurz. Ein Auto? Natürlich hat jeder von uns zu Hause eines, ganz zu schweigen davon, dass sich für diese Projektreise acht Menschen auf den weiten Weg nach Peru gemacht haben, per Langstreckenflug. Und doch ist allen bewusst, welche Probleme unsere Mobilität verursacht. Flora hat das gleiche Recht darauf, die gleiche Sehnsucht danach, mobil zu sein. Doch vor unserem inneren Auge entsteht das Szenario, wie dieser noch so ursprüngliche Ort in den Anden aussehen wird, wenn alle sich ein Auto leisten können. Was das für die Umwelt hier bedeutet. Kein Wunder, dass jenes Plan-Projekt, das wir besuchen, auch den ökologischen Aspekt umfasst: „Allin Mikuna“ heißt es – „Gutes Essen“.

Ernährung sichern im Hochland von Peru

Hauptsächlich soll die Ernährung der Kinder im Hochland verbessert werden: 66 Prozent der Ein- bis Dreijährigen leiden in der Provinz Paucartambo, in der das Projekt durchgeführt wird, an Blutarmut. Deshalb unterrichtet man jetzt die Menschen in gesunder Ernährung, zeigt ihnen, wie man in kleinen Gärten regionales Gemüse anbaut – selbstverständlich mit natürlichem Dünger. 600 Familien erreicht das Projekt. Vor allem kleine Projekte von Frauen werden gefördert, inzwischen sind es 300, und Floras Hostel ist eines davon. Der Hof ihrer Nachbarin Fortunata ebenfalls.

Die 38-Jährige hat auf einem kleinen Feld Lauch, Kohl und Salat hochgezogen, die sechs Monate alte Tochter im kunterbunten Wickeltuch bei der Gartenarbeit immer auf dem Rücken. Und ihren Mann Julio an der Seite, der mit Spitzhake und Schaufel die gröberen Arbeiten übernimmt. In Plan-Kursen versucht man auch, die Männer für eine neue Rolle in der Familie zu begeistern: als Unterstützer der Frau, als liebevoller Vater. So vereint das Projekt „Allin Mikuna“ alle Ziele, für die Plan schon lange kämpft: den Schutz der Kinder, die Förderung von Frauen, die Bewahrung der Umwelt.

Doch wie konnte es zu der Mangelernährung in Peru kommen? Boris Choqueneira, Leiter des regionalen Plan-Büros, klärt auf: Viel altes Wissen ging schon mit der Eroberung des Inkareichs durch die Spanier ab 1534 verloren. Sie zerstörten bewusst die Kultur der Indios, führten Agrarprodukte aus, verboten ihnen, traditionelle Pflanzen anzubauen. Die Globalisierung gab der traditionellen Ernährung den Rest. Nun produzieren die Bauern lieber für den Export: Kartoffeln, Quinoa, Avocado und Blaubeeren etwa. Sie selbst rühren sich billige Instantsuppen aus China an – die per Flugzeug oder Tanker über den Ozean kommen, später auf Lastern über die engen, endlosen Serpentinenstraßen der Anden. Ein aberwitziger Kreislauf, den das Plan-Projekt durchbrechen will.

Rote Bete für gesunde Kinder

Das Umdenken soll möglichst früh beginnen. Deshalb werden mit Geldern der Stiftung Hilfe mit Plan auch Schulgärten gefördert. Selbst gebastelte Holzschilder zeigen, was hier wächst und wozu es gut ist. Zwiebeln – gut gegen Entzündungen. Rote Bete – gut für die Leber. Brokkoli – enthält viel Kalium und Kalzium, beugt Krebs vor, ist gut gegen Blutarmut. Im Unterricht lernen die Jugendlichen, wie man das Gemüse verarbeitet, was man daraus kochen kann. Uns servieren sie in einem großen Topf selbst geerntete Kartoffeln mit weißem, würzigem Käse. Ein einfaches Mahl, aber einfach köstlich.

Auch in Floras Dorf werden wir von der Projektgruppe der Frauen zum Essen eingeladen: zur Merienda, einem üppigen Buffet. Auf Holztischen mit farbenprächtigen Webdecken sind die Köstlichkeiten in Ton- und Blechtöpfen angerichtet: Maisküchlein, Rote-Bete-Salat, Bohnengemüse, Moraya, die typischen, weißen, getrockneten Kartoffeln, gegrilltes Meerschwein – das herrlich schmeckt. Und Trucha, die peruanische Forelle – eine Delikatesse, die hier, zubereitet von den Campesinas, besser ist als in manchem Restaurant der Hauptstadt Lima.

Mit- und voneinander lernen

Kurz vor dem Abschied tritt eine Bäuerin aus dem Kreis der Frauen, die sich mit uns zum Erinnerungsfoto aufgestellt haben. Mutig und selbstbewusst bringt sie ihre Frage vor: Der Klimawandel, sagt sie. Ob wir ihn in unserer Heimat auch spüren? Hier im Hochland von Peru nehmen die Dürren zu, der Boden erodiert. Schon längst hätten sie jetzt, im südamerikanischen Frühling, die Saat ausbringen sollen. Doch der Regen bleibt aus. Was, so fragt sie uns, tun wir gegen den Klimawandel?

Beim letzten Blick auf die karstigen Höhen der Anden sind wir noch immer nachdenklich. Mit Peru sind wir nach dieser eindrucksvollen Reise nicht nur im Herzen verbunden. In dieser globalisierten Welt sind wir schicksalhaft verknüpft. Wir können nur miteinander und voneinander lernen. Ob in Peru oder in Deutschland: Alles, was wir machen, wird Auswirkungen auf das Leben des anderen haben. Wir müssen mehr tun. Floras Zukunft, die Zukunft der Kinder überall auf der Welt, sie hängt ab von unserem Handeln, unserem Mut zum Wandel.