Foto © Plan International / Alf Berg

Reisetagebuch - 23. März - Sigfredos Sicht

Heute treffen wir Sigfredo, einen Journalisten. Wir fragen: Was geschieht mit den Kindern, es sind unzählige, die in Massakern ihre Eltern und Geschwister verloren haben und immer noch verlieren? Wer nimmt sich ihrer an? Sigfredo Ramirez hat vor vier Jahren eine Reportage über das Tabu-Thema geschrieben und den Ulrich Wickert Preis für Kinderrechte für herausragenden internationalen Journalismus bekommen. Seine Reportage „El país de los huérfanos“ erschien damals in der Zeitung „La Prensa Grafica“.

Was ist aus dem Autor geworden, den Plan International-Stifter Ulrich Wickert in Berlin geehrt hatte? Was wird aus den Kindern, von denen Sigfredo geschrieben hatte? Wir treffen den Journalisten in der Hauptstadt San Salvador, einen skeptischen jungen Mann, gerade 30 geworden: „Das Thema interessiert keinen, es ist ein Tabu geblieben. Auch die Politiker reagieren nicht, keiner kümmert sich um die Kinder.“ Sigfredo hatte damals über einen Monat lang recherchiert, war bei Gloria gewesen, die das sieben Monate alte Baby ihrer ermordeten Schwester in den Armen hielt.

Hunderte von Menschen sterben immer noch, selbst ein Vierteljahrhundert nach dem Ende des Bürgerkriegs; es ist für Journalisten immer noch gefährlich, über die Gewalt und ihre Opfer zu schreiben. Diese Gefahr ist auch einer der Gründe, warum Sigfredo nicht mehr in der Redaktion arbeitet. „Damals hatte ich noch keine Familie.“ Heute lebt er mit seiner Frau und dem kleinen Sohn Matthias als freier Journalist, schreibt ein Buch über seine Heimatstadt Santa Tecla und lehrt als Professor Journalismus an der Universität.

„Es ist schrecklich, es wird nicht besser“, schaut er in die Zukunft El Salvadors. Der Krieg der Regierung gegen die mordenden Banden habe nichts gebracht. „Waffen helfen nicht, nur Bildung wird die Gewalt beenden: Gute Schulen, mehr Lehrer – und in sieben Jahren würde dieses Land ein anderes sein.“ Er glaubt nicht so richtig daran. Seinen Sohn wird Sigfredo in eine private Schule schicken.

Fotos: © Plan International/Alf Berg
Nachtrag: Die Reportage von Sigfredo Ramirez wurde anlässlich der Preisverleihung auch von deutschen Medien nachgedruckt. So ist der Artikel auch auf deutsch nachzulesen: Das Land der Waisen