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Psychosoziale Unterstützung für Kinder aus der Ukraine

von Stiftung Hilfe mit Plan

Der anhaltende Krieg in der Ukraine wirkt sich erheblich auf die Psyche von Kindern und Familien aus. Tausende von Kindern haben sich über Wochen in Kellern, U-Bahnhöfen und anderen unterirdischen Räumen versteckt. Millionen Familien mussten in die Nachbarländer fliehen und alles, was sie kannten und liebten, zurücklassen. Plan International arbeitet im Bereich psychosoziale Unterstützung, um ihnen zu helfen.

In der Republik Moldau arbeitet Plan International mit dem Nationalen Zentrum zur Verhinderung von Kindesmissbrauch (CNPAC) zusammen, um neu angekommenen ukrainischen Familien Kinderschutz, psychische und psychosoziale Unterstützung sowie Rechtsberatung zu bieten. Dazu sind mobile Teams bestehend aus Psycholog:innen, Pädagog:innen und Sozialarbeiter:innen im Einsatz, die in zwei Aufnahmezentren im Norden und im Süden Moldaus Hilfe leisten.

„Wir sehen viele ukrainische Kinder, die zusammen mit ihren Müttern hier ankommen. Die meisten von ihnen haben traumatische Erfahrungen gemacht und kommen in Not an, nachdem sie tagelang versucht haben, die Grenze zu erreichen und sicher nach Moldau zu gelangen“, sagt Micol Alberizzi, Plan-Mitarbeiterin und Expertin für Kinderschutz in Notsituationen. „Die Unterstützung der Kinder, insbesondere die psychosoziale Betreuung und die Förderung der psychischen Gesundheit, hat im Moment Priorität. Wir von Plan International versuchen, sofort zu intervenieren und sind bereits mit unseren mobilen Teams aktiv, die Aktivitäten und spielerische Therapien für die Kinder und ihre Betreuungspersonen anbieten.“

Langfristige Folgen für die Psyche der Kinder

Wie wichtig es ist, Kindern nach traumatischen Erfahrungen zu helfen, weiß auch Dr. Unni Krishnan, Leiter der Humanitären Hilfe bei Plan International. So führen unbehandelte Traumata oft zu schwerwiegenden und langfristigen Folgen für die Psyche der Kinder.

„Emotionale Bedürfnisse werden in Konflikten und humanitären Krisen oft nicht erkannt”, warnt er. „Die Krise in der Ukraine wird jedoch zweifellos einen hohen Tribut von Kindern und Jugendlichen fordern – gerade, was ihre psychische Gesundheit angeht. Diese unsichtbaren Wunden werden sie auch noch tragen, lange nachdem sie einen sicheren Ort erreicht haben.”

Die mobilen Teams in Moldau ermitteln jeden Tag die unterschiedlichen Bedürfnisse in den beiden Zentren, um sicherzustellen, dass wir die am meisten gefährdeten Kinder erreichen können. Wir unterstützen auch die Mütter, denn wir wissen, dass viele von ihnen allein unterwegs und oft selbst in Not sind.

„Sie haben selbst erschütternde Ereignisse erlebt und zugleich eine wichtige Rolle bei der Unterstützung ihrer Kinder. Daher müssen sie in der Lage sein, ihren eigenen Stress zu bewältigen, um ihren Kindern besser helfen zu können“, erklärt Micol Alberizzi.

Damit Kinder wieder Kind sein können

Wir treffen das Team in einem Aufnahmezentrum, das etwa 40 Minuten von der moldawischen Hauptstadt Chisinau entfernt liegt und in dem rund 100 Geflüchtete untergebracht sind. Die Situation ist recht unvorhersehbar, so dass sich die Zahl der Kinder im Zentrum täglich ändert. Das Team führt Aktivitäten für die Kinder durch, damit sie in Sicherheit spielen und das Zusammensein mit anderen Kindern genießen können. Außerdem bieten wir den Kindern, Eltern und Betreuer:innen Einzel- und Gruppensitzungen zur psychosozialen Unterstützung an.

Marina ist eine der Psycholog:innen, die dem mobilen Team angehören. Da sie selbst aus Charkiw in der Ukraine geflohen ist, hat sie den Krieg hautnah miterlebt. „Wir bieten eine Vielzahl von Unterstützungsangeboten. Wir machen Märchentherapie, singen, malen und basteln mit den Materialien, die wir haben. Das Singen ist besonders hilfreich, weil die Kinder sich so von dem, was sie erlebt haben, lösen können. Das Gleiche gilt für die Eltern. Diese Art von Unterstützung ist das, was sie in diesem Moment brauchen.“

Die richtige Unterstützung kann viel bewirken

Kinder erwarten in Krisenzeiten von Erwachsenen Schutz und Verständnis für das, was mit ihnen geschieht. Daher zögern sie oft, sich von ihren Eltern zu lösen, denn diese sind ihre einzige verlässliche Quelle der Sicherheit.

„Viele Kinder haben das Bedürfnis, den Erwachsenen sehr nahe zu sein. Manchmal wollen sie auf dem Schoß der Eltern sitzen, nur um ihnen nahe zu sein und umarmt zu werden. Und einige Kinder sagen, dass ihr Gehör nachgelassen hat. Im Moment wissen wir nicht, woran das liegt, aber es könnte die eigene Wahrnehmung der Kinder sein, weil sie sich nicht konzentrieren können und es ihnen schwerfällt, sich auf bestimmte Dinge zu fokussieren“, erklärt Marina. „Wir beobachten, dass viele Kinder eine sehr kurze Aufmerksamkeitsspanne haben. Aber schon nach ein paar Sitzungen mit ihnen wird es besser. Sie sind ja noch Kinder und mit der richtigen Unterstützung kann man ihre Situation sehr schnell verbessern.“

Viele Kinder leiden an emotionalen Traumata

Viorica, die auch als Psychologin für das mobile Team arbeitet, erzählt uns, dass sie viele Kinder gesehen hat, die an einem emotionalen Trauma leiden, aber an einen kleinen Jungen erinnert sie sich ganz besonders. „Ein dreijähriger Junge hörte das Geräusch eines Bohrers, also eines einfachen Reparaturinstruments, und war völlig hysterisch. Er hatte in der Ukraine ein Erlebnis mit einer Bombe, die vor seinen Augen explodierte, als er auf dem Heimweg vom Kindergarten war“, erzählt Viorica. „Er fing sofort an zu schreien und suchte nach seiner Mutter, die in diesem Moment nicht da war. Er versuchte immer, bei seiner Mutter zu sein, weil er sich nirgendwo anders sicher fühlte. Auch seine Mutter hatte das Bedürfnis, ständig bei ihm zu sein, weil sie Angst um ihn hatte. Dies ist eines der Beispiele für diese Art von Trauma.“

Indem die Kinder in den Aufnahmezentren in verschiedene Aktivitäten wie Malen und Spielen einbezogen werden, wird ihnen geholfen, sich an die neue Situation anzupassen und mit dem Stress und den Sorgen, die sie möglicherweise empfinden, fertig zu werden. Auch auf körperliche Aktivitäten wie Spiele im Freien, Sport und Laufen helfen ihnen, ihren Kopf freizubekommen und ihre Energie zu verbrauchen.

Die psychologische Unterstützung von Plan International hilft den Menschen nicht nur bei der Bewältigung der psychischen Belastung, sondern trägt auch dazu bei, späteren posttraumatischen Symptomen vorzubeugen. „Wir haben viele Menschen, die diesen Ort als Durchgangsstation nutzen. Sie sind auf der Suche nach ein wenig Ruhe, einem Gefühl von Sicherheit und etwas zu essen. Aber nach ein paar Tagen haben viele Menschen das Bedürfnis, mit jemandem zu sprechen, wenn sie ihre Situation akzeptiert haben“, erzählt Viorica.

„Sie kommen hierher, erzählen uns ihre Geschichte und berichten von ihren Gefühlen. Es ist sehr wichtig, den Menschen diese Art von psychosozialer Unterstützung anzubieten. Und auch diejenigen, die nicht in unserem Zentrum, sondern in Privatwohnungen, untergebracht sind, kommen zu uns, wenn sie von unseren Angeboten hören und wissen, an wen sie sich wenden können. Sie sprechen über Dinge, die sie teilen möchten und die sie belasten. Das verschafft ihnen Erleichterung.“

Schutz für unbegleitete Kinder

Angesichts der Berichte über unbegleitete Kinder, die aus der Ukraine in die Nachbarländer ein-gereist sind, ist es von entscheidender Bedeutung, dass Schutzrisiken in den Aufnahmezentren schnell identifiziert werden. Von ihren Familien getrennte, unbegleitete Kinder sind besonders gefährdet, Opfer von Menschenhandel und Ausbeutung zu werden.

„Eines der Risiken, über die wir uns am meisten Sorgen machen, sind Kinder, die allein ankommen oder mit anderen Betreuungspersonen, bei denen unklar ist, wer sie sind“, erklärt Micol Alberizzi. „Und natürlich die Gefahr des Menschenhandels. Kinder und Familien, die nicht wissen, wohin sie gehen sollen, sind einem hohen Risiko ausgesetzt, Opfer von Menschenhandel zu werden.“

Im Rahmen unserer Arbeit vor Ort werden Mitarbeiter:innen, Grenzbeamt:innen und freiwillige Helfer im Kinderschutz geschult, insbesondere im Hinblick darauf, unbegleitete Kinder und die Risiken für Menschenhandel zu erkennen.

Sie möchten Kindern und ihren Familien aus der Ukraine helfen? Sprechen Sie uns gerne an, um mehr über Unterstützungsmöglichkeiten zu erfahren.


Julia Hammer & Team

Tel.: 040 / 607 716 - 260
E-Mail: info@stiftung-hilfe-mit-plan.de