Foto © Alf Berg

Malawi: Zukunftsträume unterm Mangobaum

von Stiftung Hilfe mit Plan

Gemeinsam mit Unterstützerinnen und Unterstützern besuchten wir Plan-Projekte in Malawi. Mit dabei war auch Journalistin Barbara Scherle. Von ihren Eindrücken und Begegnungen berichtet sie in dem folgenden Gastbeitrag.

Der weiße Ford holpert über schwarzen Asphalt, ausgerollt über rote Erde und üppige Landschaft. Wir, die Teilnehmer der Stifter-Projektreise, sind auf der Heimreise und Erinnerungen an wunderbare, unvergessliche Tage werden wach. Zum Beispiel an geschwungene Hügel in der Ferne und sattes Grün überall. Malawi ist in der Regenzeit ein sanftes Paradies fürs Auge und auch eine bisweilen harte Heimat für über 18 Millionen Menschen. Auf dem Index der Vereinten Nationen (Human Development Index), der die Entwicklung eines Landes zeigt, wird Malawi am unteren Ende geführt. Das heißt, nur 15 Länder weltweit sind noch ärmer. Malawi ist ein junges Land. Über 46 Prozent der Bevölkerung sind unter 15 Jahre alt.

Foto © Alf Berg | Malawi: Ein Naturparadies – und eines der ärmsten Länder der Welt.

 
So die Daten und doch stehen für mich nach der Reise nicht die Probleme im Vordergrund, sondern berührende Erlebnisse. Die Tänze, das Lachen, die lebensfrohe Herzlichkeit bei jeder Begrüßung und die oft unerschrockene Tapferkeit – vor allem junger Frauen. Von einigen möchte ich hier berichten. Susan, Hannah, Peggy oder Salome. Welche Zukunft haben sie? Diese Mädchen und Frauen, die für mich im fernen Malawi in Südostafrika einen Herzensort schufen. Ihre Geschichten mit ihren Gesichtern bleiben – länger als der erdige Bohnenduft des Mzuzu-Kaffees, den ich fast noch immer riechen kann.

Begegnungen, die lange nachwirken

Ich denke an mein Plan-Patenkind Susan, das ich nach einigem Briefkontakt voller Vorfreude zum ersten Mal persönlich kennenlernen durfte. Das neunjährige Mädchen lebt mit ihren zwei Brüdern in einem Dorf im Norden in der Nähe von Mzuzu. Ihre 64-jährige Oma kümmert sich nach besten Kräften um die Familie. Ihr Sohn, der Vater von Susan, ist in Südafrika; um Geld zu verdienen und es nach Hause zu schicken. Die Mutter ist aufgebrochen, um ihren Mann zu suchen oder auch, um irgendwo einen Job zu finden. So sind die drei Kinder weitgehend auf sich gestellt.

Susan ist erst seit Dezember mein Patenkind. Sie hat lange nicht gesprochen. Dann ein wenig und nun ist es immerhin so viel, dass das schüchterne Mädchen mit den großen Augen zur Schule gehen kann. In Susans Blick ist nichts an kindlicher Unbeschwertheit zu finden, wie man sich das eigentlich wünscht für jedes Kind. Susan hat Kummer und ist scheu. Sie hat selten so viel Aufmerksamkeit erhalten, wie an diesem Tag. Der Tag des Patenbesuchs. Helle Aufregung in der Schule und im Dorf. Für sie ist es ein großes Geschenk, dass sie endlich mal im Mittelpunkt steht. Als Patenkind gibt es jemanden, der regelmäßig nach ihr sieht. Die Mitarbeitenden von Plan haben zum Beispiel gleich nach meinem Besuch dafür gesorgt, dass sie in einem Krankenhaus ausführlich untersucht wurde, da Susan sehr krank aussah. Ich bin erschrocken und bewegt, wie spärlich Susan lebt. Es gibt keine Möbel in der Lehmhütte, keinen Strom, nur eine Kochstelle im Hof und eine alte Matratze in einem dunklen Zimmer. Den Raum teilt sich Susan mit ihrem Bruder.

Gemeinsam können wir Mädchen stärken

Und doch: Es gibt auch ganz andere Begegnungen. Nur zwei Tage zuvor durfte ich Hannah kennenlernen. Hannah, die mich bei der Schuleröffnung in der Nähe der Hauptstadt Lilongwe mit ihrem Mut, ihrem Selbstbewusstsein und ihrer Stärke tief bewegt hat. Vor Hunderten Schülerinnen und Schülern hielt sie ihre Rede. Selbst der Besuch des Erziehungsministers brachte sie nicht aus der Ruhe. Sie sprach mit fester Stimme und in klarem, sehr gutem Englisch über die Freude, dass sie lernen darf und kann, und was das neue Gebäude für sie bedeutet.

Die Amtssprachen in Malawi sind Chichewa und Englisch. Doch viele Menschen sprechen kein Englisch und nur wenige so gut wie Hannah. Die 12-Jährige ist ein Gesicht der Plan-Kampagne „Girls get Equal“. Hier in Malawi wird deutlich, wie wichtig es ist, Mädchen und junge Frauen zu stärken, damit sie gleichberechtigt Verantwortung übernehmen und ihre Stimme erheben können. Das ist dringend nötig, denn noch immer müssen Mädchen und Frauen um Rechte kämpfen und um die Freiheit, selbst über sich und ihr Leben bestimmen zu dürfen. Im Youth Club einer Schule hören wir mit Schrecken von Schicksalen, die hinter den Zahlen stehen. Im Youth Club treffen sich nach der Schule Mädchen im Teenager-Alter, um sich über ihre Sorgen und Nöte auszutauschen. Als Ansprechpartner stehen ihnen Plan-Mitarbeitende aus dem Regionalbüro Mzuzu zur Seite.

Viele Träume, aber auch Sorgen

Auch an diesem Tag. Bei schwülem, tropischem Wetter sitzen wir unter einem Mangobaum hinter dem Fußballplatz – und hören zu. Wir fragen nach Träumen und Sorgen. Ein Mädchen möchte Ärztin werden, eine andere Lehrerin und eine dritte Pilotin, dann könnte sie die Welt erkunden. Nach einer Weile erzählt Salome, die gern Journalistin werden möchte, was aktuell ihre größte Sorge ist. Sie fragt:

Foto © Alf Berg

 

"Was können wir tun, dass unsere Eltern nicht auf die Idee kommen, uns früh zu verkuppeln und Hochzeiten anzubahnen mit den oft älteren Männern aus dem Nachbardorf?"

Die Schule gibt Hoffnung

Hoffnung gibt es auch für die 15-jährige Peggy, die mit einem Stipendium die Chance hatte, eine Secondary School zu besuchen, also eine Art Gymnasium, nach acht Jahren kostenfreier, staatlicher Grundschule. Die weiterführenden Schulen in Malawi sind für die Durchschnittsbevölkerung kaum zu bezahlen, schon gar nicht mit mehreren Kindern. Doch die meisten Familien haben vier bis sechs Kinder. Wir treffen Peggys Mutter. Sie trägt die zehn Monate alte Vanessa auf dem Arm. Es ist Peggys Kind. Peggy wurde während der Schulferien schwanger – ungewollt, von einem Jungen im Dorf. Der Vater des Kindes bekennt sich nicht zu Peggy, nicht zu seinem Kind und nicht zu seiner Verantwortung. Nun übernimmt die 44-jährige Mutter von Peggy die Betreuung; nach vielen Vorwürfen. Sie will, dass Peggy die Schule beendet und ihre Chancen wahrnimmt. Für Peggy bedeutet das, dass sie im Hostel der Schule lebt und kaum zu Hause ist. Und sie hofft, dass die Familie irgendwie das Geld auftreiben kann, damit sie die Schule abschließen kann. Für eine bessere Zukunft.

In der Schule berichte ich von meiner Heimat. Von Deutschland und von der großen Stadt Berlin und meiner 12-jährigen Tochter, die mitten in dieser Metropole aufwächst. Ich erzähle, dass es bei uns so viel gibt, aber keine Mangobäume, die uns bei Gedankenreisen Schatten spenden – die Mädchen blicken mich in diesem Moment erstaunt und verwundert an: Ein Land ohne Mangobäume, das kann doch nicht sein. Und so reise ich zurück in mein reiches Land ohne Mangobäume, und aus dem Flugzeugfenster blicke ich auf den funkelnden Malawisee und die afrikanische Weite. Auch in Malawi greift der Klimawandel nach dem Boden. Die Aufforstung abgeholzter Hügel ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Doch von hier oben glitzert alles wunderschön. Ich hoffe auf diese strahlenden Aussichten auch für Peggy, Susan und all die anderen Kinder von Malawi – meinem neuen Herzensort.

Foto © Plan International / Studio 19

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