Bild: Mehrere Mädchen sitzen nebeneinander und gucken in die Kamera

Mädchen vor Beschneidung schützen

Oberägypten gehört zu den konservativsten und traditionellsten Gebieten des Landes. Schädliche traditionelle Praktiken wie weibliche Genitalverstümmelung und Frühverheiratung sind dort in den Gemeinden tief verankert. Beide Praktiken stellen gravierende Menschenrechtsverletzungen dar, die konsequent bekämpft werden müssen. Mit diesem Projekt wollen wir Mädchen und Frauen in Oberägypten vor FGM/C und Kinderheirat schützen und ihre sexuellen und reproduktiven Rechte stärken, damit sie ein selbstbestimmtes Leben führen und frei über ihren Körper entscheiden können.

Ziele
  1. Stärkung der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechte von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen
  2. Abschaffung von schädlichen traditionellen Praktiken wie Kinderheirat und FGM/C
Maßnahmen
  1. Trainings für 40 Gemeindeberater:innen zu Kinderrechten, Sexualerziehung und Gleichberechtigung
  2. Aufklärung von Eltern, Großmüttern und traditionellen Autoritäten über sexuelle und reproduktive Rechte und die negativen Folgen von Frühverheiratung und FGM/C
  3. Gründung von 32 Spargruppen
  4. Aufklärungskampagnen wie Sportveranstaltungen und Theateraufführungen zu Themen der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und schädlichen kulturellen Normen
  5. Einrichtung von acht sicheren Räumen
  6. 24 Gesundheitsinitiativen zur Verbesserung der ländlichen Gesundheitsversorgung

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Was uns in Ägypten erwartet

Die Projektregionen Sohag und Qena gehören zu Oberägypten, welches sich entlang des Niltals südlich von Kairo bis zur südlichen Grenze Ägyptens zum Sudan erstreckt und eines der konservativsten und traditionellsten Gebiete des Landes ist. Sowohl weibliche Genitalverstümmelung/- beschneidung als auch Kinderheirat sind schädliche traditionelle Praktiken, die in den Gemeinden dort tief verwurzelt sind. Beide Praktiken stellen gravierende Menschenrechtsverletzungen an Mädchen und Frauen dar, die konsequent bekämpft werden müssen.

Laut einer Umfrage von USAID (United States Agency for International Development) im Jahr 2015, die verheiratete Frauen im Alter von 15 bis 49 Jahren befragte, waren in Oberägypten fast 92 Prozent der Frauen in dieser Altersgruppe beschnitten. Bei den Frauen ab 25 Jahren waren es sogar 97 Prozent. Obwohl die Umfrage einen insgesamten Rückgang der Beschneidungsrate zeigte, wurde erwartet, dass mehr als die Hälfte der Mädchen im Alter von einem bis 14 Jahren im Laufe ihres Lebens beschnitten werden.

Auch die Frühverheiratung ist in Ägypten weit verbreitet. Obwohl das im Jahr 2008 in Kraft getretene ägyptische Kindergesetz das gesetzliche Heiratsalter von Frauen und Männern auf 18 Jahre festlegt, werden in Ägypten immer noch 17 Prozent der Mädchen vor ihrem 18. Lebensjahr verheiratet. Oft werden die Ehen dabei nicht legal registriert, sondern stattdessen finden sogenannte „Urfi-Ehen“ statt. Das sind Eheschließungen, die zwar nach dem islamischen Recht geschlossen, aber nicht von den Behörden dokumentiert werden – also eine Art Schlupfloch darstellen, um das Gesetz zu umgehen. Zu den Hauptgründen für Kinderheirat gehören neben Armut und dem Festhalten an sozialen Normen und Rollenbildern auch mangelnde Bildung sowie religiöse Bräuche und nicht ausreichende Gesetze.

Was wir bisher erreicht haben

Mit unseren Aktivitäten helfen wir, dass junge Menschen in Oberägypten ihre sexuellen und reproduktiven Rechte wahrnehmen und selbstbestimmte Entscheidungen über ihr Leben treffen können. Auf Basis der abgeschlossenen Grundlagenstudie konnten wir die verzögerten Aktivitäten nun beginnen. Die Studie hat aufgezeigt, dass sowohl die Praxis der weiblichen Genitalverstümmelung als auch die der Frühverheiratung nach wie vor gängig und akzeptiert sind. Die meisten der befragten Erwachsenen vermuten, dass andere Gemeindemitglieder eine Abweichung von diesen Praktiken missbilligen würden. 

Wir haben nun mit verschiedenen Aktivitäten begonnen, die das Umfeld der betroffenen Mädchen sensibilisieren und zur Unterstützung anregen sollen. Dadurch, dass wir bereits vorher Gemeindeberater:innen ausgebildet haben, konnten sie nun mit Trainingsmethoden für verschiedene Altersgruppen zwischen sechs und 24 Jahren beginnen. Im Rahmen dieser Trainings erhalten Kinder und Jugendliche spielerisch Informationen über ihre Rechte. Und dies ihrem Alter entsprechend – zu Frühverheiratung, weiblicher Genitalverstümmelung, geschlechterspezifischer Gewalt sowie zu sexueller und reproduktiver Gesundheit. Aufgrund des großen Interesses haben wir die Teilnehmer:innenzahl bei einigen Aktivitäten erhöht. Um auch das Umfeld der Kinder und Jugendlichen zu sensibilisieren, haben wir in verschiedenen Aktivitäten mit Eltern und Großmüttern zusammengearbeitet. Zudem wurde durch ein Familiencamp und generationsübergreifende Dialoge Möglichkeiten zur Stärkung der Beziehungen innerhalb der Familien sowie zum offenen Austausch geschaffen. Um speziell die Mütter zu stärken und ihnen finanzielle Unabhängigkeit zu ermöglichen, haben wir 27 Spargruppen in den Gemeinden gegründet. Durch die Ausbildung von 92 „Female Rural Pioneers“ unterstützen wir auch langfristig die jugendfreundliche und geschlechtersensible Bereitstellung von Informationen zu sexueller und reproduktiver Gesundheit und Rechten (SRGR). Somit sind wir trotz der Verzögerung aufgrund der Grundlagenstudie auf einem guten Weg und erreichen viele Menschen mit den Aktivitäten, deren Relevanz durch die Studie bestätigt wurde.

Ägypten

Projektaktivitäten Oktober 2023 - März 2024

Geschulte Gemeindeberater:innen haben 40 Gruppen, insgesamt 737 Kinder, 486 davon Mädchen zwischen sechs und neun Jahren, mit der „Games for Human Rights“-Methode betreut. Dadurch lernen die Kinder schon früh und spielerisch positive Werte kennen, die auf den Prinzipien der Erklärung der Menschenrechte, wie Würde und Gleichheit, basieren.
Die Gemeindeberater:innen, die bereits im vorherigen Berichtszeitraum ebenso für die „SCREAM“-Methode (Support Children‘s Rights through Education, Art, Media) geschult wurden, konnten ihr Wissen nun auch in der Praxis anwenden. 740 Kinder haben als Teil der Umsetzung der „SCREAM“-Methode unter anderem zu Festtagen Theaterstücke aufgeführt, die über die negativen Auswirkungen von weiblicher Genitalverstümmelung und Frühverheiratung aufklären. Zudem haben dieselben Gemeindeberater:innen, nachdem sie entsprechend geschult wurden, Jugendliche über SRGR informiert und damit die Grundlage für verantwortungsbewusstes Entscheiden geschaffen. In Anbetracht der großen Veränderungen, die die Pubertät mit sich bringt, wurden die Jugendlichen hier in drei Altersgruppen aufgeteilt. Während für die zwölf bis 14-jährigen Jugendlichen hauptsächlich Themen im Zusammenhang mit der Pubertät und den Problemen von Teenagern behandelt werden, konzentrieren sich bei den 15- bis 18-jährigen die Themen auf schädliche Praktiken. Für die Gruppe der 18- bis 24-jährigen schließlich werden Sexualität und HIV unter dem Blickwinkel von Geschlecht und Rechten erörtert, wobei Themen wie Beziehungen, Pubertät und Verwendung von Verhütungsmitteln miteinbezogen werden. Durch diese umfassende Aufklärungsarbeit werden Kinder und Jugendliche altersgerecht über sensible Themen und ihre Rechte aufgeklärt und somit die Basis dafür geschaffen, dass sie sich gegen negative Normen und Diskriminierung stark machen und für sich selbst einstehen können.

Wir haben erfolgreich Trainings zu positiver Elternschaft für 15 Gruppen von Eltern durchgeführt, in denen diese umfassend Input zu verschiedenen Themen, wie beispielsweise zu sexueller und geschlechterspezifischer Gewalt, effektiver Kommunikation sowie zu Pubertät und dem Aufbau von starken Beziehungen zu ihren Kindern, bekommen haben. Die nach Geschlecht getrennten Gruppen hatten Gelegenheit, diese Themen zu besprechen und Fragen dazu zu stellen. Es stellte sich heraus, dass viele Väter die Kindererziehung als Aufgabe der Mütter sehen und dass die meisten Eltern sich schämen, Sexualkunde mit ihren Kindern zu besprechen. Die Eltern lernen durch dieses Training, ihre Kinder altersgerecht zu unterstützen und bei der Erziehung den Fokus auf das psychische und physische Wohlergehen des Kindes zu legen. 

Im Rahmen einer mehrtägigen Schulung haben wir Väter, die als Familienoberhäupter wichtige Entscheidungen treffen, dafür sensibilisiert, ihre Kinder und vor allem Töchter zu unterstützen. Hierfür wurden sie zu SRGR aufgeklärt und auf die negativen Folgen von traditionellen Praktiken wie weiblicher Genitalverstümmelung und Frühverheiratung hingewiesen. Da sie ihr Wissen mit anderen Vätern teilen sollen, thematisierten wir mit ihnen auch erfolgreiche Kommunikation und Engagement in der Gemeinde und wie sie den eigenen Einfluss positiv nutzen können.

Um die Kommunikation von Eltern und Kindern im Allgemeinen und bei sensiblen Themen im Besonderen zu verbessern, haben wir ein Familiencamp ausgerichtet, zu dem 20 Familien aus verschiedenen Projektgemeinden kamen. Hierbei konnten sich die Familien untereinander austauschen und gleichzeitig spielerisch durch verschiedene Aktivitäten ihre Kommunikation und ihr Wissen über reproduktive und sexuelle Gesundheit verbessern. Da die meisten dieser Aktivitäten einfach in den Alltag zu integrieren sind, sollen sie langfristig zu guter Kommunikation beitragen. Für einige Familien war es das erste Mal, dass sie gemeinsam etwas unternommen haben und ihre Bindung dadurch stärken konnten. 

Nachdem wir 20 Gemeindeberater:innen und zwei Freiwillige umfänglich ausgebildet haben, begannen sie damit, generationsübergreifende Dialoge zu organisieren und zu moderieren. Dabei waren die ersten vier Sitzungen der Gruppen nur auf Mütter fokussiert, für die letzten beiden sind ihre Kinder dazu gekommen. Es konnten Räume geschaffen werden, in denen über Geschlechterrollen, Gleichberechtigung sowie sexuelle und reproduktive Rechte gesprochen und ein generationenübergreifender Verhaltenswandel gefördert wird.

Um vor allem Müttern eine finanzielle Unabhängigkeit zu ermöglichen und gleichzeitig einen Raum für Aufklärung und Austausch zu schaffen, haben die dazu ausgebildeten Gemeindeberater:innen bereits 27 Spargruppen in unterschiedlichen Gemeinden gebildet. Insgesamt 410 Frauen sind in den Gruppen und tauschen sich dort auch über Themen wie reproduktive Gesundheit und positive Erziehung aus.
 

Im letzten Halbjahr haben wir an drei internationalen Feiertagen besondere Aktionen umgesetzt. Dazu gehört der Weltmädchentag mit dem Motto „with your hobby you draw
your dream ... and make your way“, an dem wir Mädchen dazu motiviert haben, ihrem Hobby nachzugehen und sich künstlerisch oder sportlich zu betätigen. Dabei haben ein Kunstwettbewerb und ein Fußballwettkampf für zusätzliche Spannung und Antrieb gesorgt. Auch die „16 Days of Activism against GBV“ (gender-based violence) wurden unter dem Motto „Invest in her safety“ durch zwei interaktive Veranstaltungen ergänzt, welche die teilnehmenden Mädchen und Frauen auf abwechslungsreiche Art und Weise über Menschenrechte und geschlechtsspezifische Gewalt aufgeklärt haben. Anlässlich des Internationalen Frauentags wurden unter dem Slogan „Tell...to inspire“ mit Aktivitäten wie Zeichnen und Theateraufführungen fünf Veranstaltungen organisiert, um ebenso zur Aufklärung zu Menschenrechten und geschlechtsspezifischer Gewalt beizutragen.

Wie schon im letzten Berichtszeitraum, konnten wir auch im Dezember an vier Tagen den Zugang zu medizinischem Fachpersonal und Medikamenten durch mobile Kliniken erleichtern. Außerdem haben wir in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsministerium 92 „Female Rural Pioneers“ zu SRGR, der Gesetzeslage zu weiblicher Genitalverstümmelung und Kinderheirat geschult, sowie darin, wie dieses Wissen jugendfreundlich und geschlechtersensibel vermittelt werden kann. Außerdem haben wir gemeinsam Aktionspläne ausgearbeitet und unterstützen fortan die Teilnehmerinnen bei der Umsetzung dieser im Kampf gegen weibliche Genitalverstümmelung und Frühverheiratung.

Geschulte Gemeindeberater:innen klären Kinder und Jugendliche auf spielerische Weise über ihre sexuellen und reproduktiven Rechte auf.
Geschulte Gemeindeberater:innen klären Kinder und Jugendliche auf spielerische Weise über ihre sexuellen und reproduktiven Rechte auf.

68 EUR
kostet die Teilnahme eines Familienmitglieds im Familiencamp.

75 EUR
benötigen wir für die Schulung von fünf Vätern zu den negativen Auswirkungen von FGM/C und Kinderheirat.

114 EUR
kostet es, 15 Eltern zu positiver Elternschaft zu schulen.

505 EUR
brauchen wir, um eine Gesundheitsinitiative in einer Gemeinde durchzuführen.


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