Wasser Marsch für Frauen in Togo!

Foto: Abdul-Manaph Ouro-Djeri

In der Sahelzone sind Millionen von Menschen auf der Flucht – vor Gewalt, Versorgungsnot und den Folgen des Klimawandels. Vor allem Wasser ist knapp.

Adjaratou steht auf ihrer eigenen Farm im Norden Togos und hält ein Bündel frisch geernteter Zwiebeln in der Hand. Die Sonne wärmt ihr Gesicht, und ein Lächeln huscht über ihre Lippen. Noch vor zwei Jahren schien dieser Moment des Friedens für die 28-jährige Mutter von drei Kindern unvorstellbar.

Damals war sie auf der Flucht aus ihrer Heimat in Burkina Faso, wo ihr Leben nach einem Angriff bewaffneter Gruppen aus den Fugen geriet. Ihr Mann verschwand in den Wirren des Überfalls, und Adjaratou musste ihre Kinder allein in Sicherheit bringen. Alles, was sie an Hab und Gut besessen hatte, musste sie zurücklassen. „Was ich durchgemacht habe, hat viele Wunden in meinem Herzen hinterlassen“, erinnert sie sich. „Ich war ängstlich, hatte Alpträume und verfiel in Depressionen.“

Eine Frau in gelbem Shirt hält einen Bund frisch geernteter Zwiebeln in der Hand. Sie steht in der Sonne auf einem Feld.
Adjaratou ist stolz auf ihre Zwiebelernte Halawang Kamale

„Bevor sie gingen, töteten sie zwei Menschen, um uns zu zwingen, das Dorf zu verlassen.“

Damata (43), geflüchtete Mutter aus Burkina-Faso

Die Sahelkrise und ihre Folgen

Seit fast zwanzig Jahren herrscht in der Sahelregion eine folgenschwere Krise. In Ländern wie Burkina-Faso, Mali und Niger gehören Angriffe bewaffneter Gruppen zum Alltag. Zusätzlich erschweren Mangelernährung, geringe medizinische Versorgung und die Folgen des Klimawandels das Leben für die Zivilbevölkerung. All diese Faktoren zusammengenommen haben bereits Millionen Menschen zur Flucht gezwungen.

Eine Frau trägt eine große Schale mit Wasser auf dem Kopf und hält sie mit beiden Händen fest
Fatima (34) trägt eine Schale mit Wasser auf dem Kopf, die sie eben aufgefüllt hat Abdul-Manaph Ouro-Djeri

In Togo – insbesondere in der Region Savanes im Norden, an der Grenze zu Burkina-Faso – hat sich die Sicherheitslage drastisch verschlechtert. Es kommt zu Morden, Hausbränden, Plünderungen von Vieh und Nahrungsmitteln und Zwangsvertreibungen. In dieser Situation sind Kinder besonders schutzlos. Auch die Wasserversorgung in der Region ist katastrophal. Im Grenzgebiet zu Burkina-Faso haben nur etwa 58 Prozent der Bevölkerung Zugang zu Trinkwasser; mit dem Zustrom von Vertriebenen wird der Bedarf an Trinkwasser immer größer.

Ein Mädchen steht lässig vor einem Brunnen. Sie trägt ein blaues Shirt.
Der Zugang zu sauberem Wasser gibt Mädchen ein Stück Sicherheit zurück, da sie keine gefährlichen Wege zu weit entfernten Wasserstellen mehr zurücklegen müssen Abdul-Manaph Ouro-Djeri
Frauen schöpfen frisches Wasser mit Eimern und Schalen
Frauen schöpfen frisches Wasser in Eimern und Schalen Abdul-Manaph Ouro-Djeri

Der Angriff in der Nacht

Im schwindenden Licht eines gewöhnlichen Abends änderte sich auch das Leben von Damata für immer. Die 43-jährige Mutter von sechs Kindern war gerade von den Feldern zurückgekehrt, als sie etwa 100 bewaffnete Männer in der Nähe ihres Hauses bemerkte. „Sie befahlen uns, unser Dorf innerhalb von drei Tagen zu verlassen“, schildert Damata mit ruhiger Stimme. Für ihre Familie war dies der Beginn einer traumatisierenden Flucht aus Burkina-Faso.

Drei Tage später kehrte die bewaffnete Gruppe zurück und sprach eine letzte Warnung an die zurückgebliebenen Frauen und Kinder aus. „Bevor sie gingen, töteten sie zwei Menschen, um uns zu zwingen, das Dorf zu verlassen“, sagt Damata. Da sie keine Zeit zum Trauern hatte, nahm sie ihre Kinder und schloss sich zwei anderen Familien auf einer verzweifelten Reise an. Während sie retteten, was sie konnten, schlugen die bewaffneten Männer erneut zu und verbrannten ihre Habseligkeiten und Karren. Mit nichts mehr zu verlieren, machte sich der Tross Richtung Süden auf.

Der harte Neuanfang in Togo

Die ersten Tage im Norden Togos beschreibt Damata als ein einziges Elend. „Es war schwierig, eine Unterkunft zu finden“, sagt sie. Zusammen mit fünf ihrer Kinder und anderen vertriebenen Familien – insgesamt 40 Personen, darunter 30 Kinder – kam sie in Togo an. Ihr Mann war mit einer ihrer Töchter nach Ghana gegangen, da es für ihn in Togo kein Land zu bewirtschaften gab.

In ihrer Heimat war Damata Köchin gewesen und hatte Lebensmittel verkauft, um ihre Familie zu ernähren. Aus einem Brunnen im Garten konnte sie sauberes Wasser schöpfen. In Togo war diese Sicherheit verschwunden. Ungeschützte Brunnen boten ihr anfangs nur wenig Wasser. „Wir mussten meist bis nach dem Abendessen warten, um Wasser zu holen“, erklärt sie. „Selbst dann warteten mehrere Frauen, und es war schwierig, auch nur zwei Kanister zu füllen.“

Ein roter Wasserturm im Freien
Der neue Wasserturm für das Dorf, in dem Damata untergekommen ist Abdul-Manaph Ouro-Djeri

„Meine Kinder konnten nicht zur Schule gehen und waren den Gefahren der Straße ausgesetzt.“

Adjaratou (28), geflüchtete Mutter aus Burkina-Faso

Für Adjaratou war die Flucht nach Togo ebenfalls hart. Als sie 2022 dort ankam, sah sie sich mit Hunger, Krankheit und Verzweiflung konfrontiert. Ohne Unterkunft, Nahrung oder Kleidung kämpfte sie um den Schutz ihrer Kinder. „Es war sehr schwer“, sagt sie. „Meine Kinder konnten nicht mehr zur Schule gehen und waren den Gefahren der Straße ausgesetzt. Ich hatte nicht einmal Zugang zu medizinischer Versorgung. Ich fühlte mich im Stich gelassen.“ Der plötzliche Verlust ihrer sicheren Heimat und die Ungewissheit über ihre Zukunft machten der jungen Mutter sehr zu schaffen.

Vollkommen auf sich allein gestellt, leiden vor allem die vertriebenen Mädchen und Frauen. Sie haben Schwierigkeiten, ein Einkommen zu erwirtschaften und sind verschiedenen Risiken, darunter sexuelle Ausbeutung und Missbrauch, ausgesetzt. Diese können irreparable Folgen für ihr Leben haben.

Ein Wasserbecken aus Stein gefüllt mit Wasser. Es ist umgeben von trockenem Boden.
Die Bewässerungsanlage, die auch das Feld von Adjaratou inzwischen mit Wasser versorgt Halawang Kamale
Eine Frau und ein Mädchen holen sich Wasser von einem Brunnen im Freien. Sie lächeln in die Kamera.
Eine Frau und ein Mädchen holen sich Wasser von dem Brunnen, den Plan International in ihrem Dorf gebaut hat Abdul-Manaph Ouro-Djeri

Ein Hoffnungsschimmer in der Not

Doch inmitten dieser Not gab es für Adjaratou einen Hoffnungsschimmer. Von der örtlichen Gemeinde willkommen geheißen und von Organisationen wie Plan International und dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) unterstützt, lernte Adjaratou ihre Rechte als Geflüchtete kennen. Sie bekam auch die Möglichkeit, an sozialen und wirtschaftlichen Aktivitäten teilzunehmen. 

„Es war eine Erleichterung zu wissen, dass ich hier Rechte habe“, sagt sie. „Die Aufklärungsgespräche machten mir Mut und gaben mir das Gefühl, nützlich zu sein.“ Unter anderem lernte sie, wie man einen Asylantrag stellt und wie sie ihren Status als Geflüchtete erhalten konnte.

Das „Protection Monitoring“-Projekt

Mit dem Projekt stellen Plan International und das UNHCR Werkzeuge, Schulungen und Infrastruktur – wie etwa Bewässerungssysteme – bereit und unterstützen so die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Geflüchteten sowie ihrer Gastgemeinden in der Sahelregion. 

Das Projekt unterstützt unternehmerische Initiativen wie die Gärtnereigruppe, der sich auch Adjaratou angeschlossen hat. Inzwischen gibt es sechs solcher landwirtschaftlichen Gruppen, mit jeweils 100 Mitgliedern.

Eine Frau mit schwarzer Verschleierung schält glücklich Zwiebeln unter einem Baum
Adjaratou schält glücklich ihre Zwiebeln Halawang Kamale

Schließlich wurde Adjaratou eingeladen, sich „Binkalé“ anzuschließen, einer Gärtnereigruppe, die Vertriebene sowie Mitglieder der Gastgemeinde aufnimmt. Sie erhielt ein Stück Land und damit eine Chance, ihre eigenen Lebensmittel anzubauen – und ihre Unabhängigkeit zurückzugewinnen. Doch die ersten Tage waren schwierig. Da es keine zuverlässige Wasserquelle gab, musste sie weite Strecken zurücklegen, um Wasser aus einem tiefen Brunnen zu holen. Ihre Ernte war mager und ihr Einkommen gering. „Es war anstrengend“, gibt sie zu.

Für Damata kam die Hoffnung in Form eines neuen Bohrlochs zurück. Als sich die Nachricht verbreitete, dass das „Nataan Man“-Projekt von Plan International eine Wasserstelle in ihrem Dorf bauen würde, war die Erleichterung in der Gemeinde groß. „Wir waren alle überglücklich“, sagt Damata mit einem müden Lächeln.

Dank des neuen Brunnens müssen die Frauen keine langen Wege mehr zurücklegen, um sauberes Wasser zu holen, und auch nicht mehr in der Dunkelheit warten. „Jetzt haben wir Wasser ganz in der Nähe und jederzeit verfügbar“, sagt Damata.

Das „Nataan Man“-Projekt

Das im Juni 2024 gestartete, einjährige Projekt richtet sich an gefährdete Kinder und Frauen in der Region Savanes im Norden Togos und bietet ihnen Soforthilfe. Neben dem Zugang zu Wasser und der Bereitstellung von Menstruationshygiene-Kits werden auch kinderfreundliche Räume eingerichtet und Workshops veranstaltet, um Vertriebene und Gastgemeinden miteinander zu verbinden sowie ihre Widerstandsfähigkeit zu stärken.

Solarpanels im Freien
Solarpanels betreiben die Bewässerungsanlage in der Region Savanes Halawang Kamale

Die Saat für eine blühende Zukunft säen

Auch für Adjaratou wendete sich das Blatt dank einem halbautomatischen Bewässerungssystem, das mit einer Solarpumpe, Rohren und einem Wassertank ausgestattet ist. In Verbindung mit einer Schulung in Gemüseanbautechniken – Bodenvorbereitung, Anlegen von Pflanzgefäßen und Kompostierung – gedieh ihre Parzelle prächtig. Innerhalb von drei Monaten erntete sie Zwiebeln, Tomaten und Okraschoten in Hülle und Fülle.

„Wir haben jetzt Wasser, und alles wächst gut“, freut sie sich. Mit den Einkünften aus ihren Ernten kann sie ihre Miete bezahlen, ihre Kinder ernähren und sich wieder mehr um sie kümmern. „Ich bin endlich wieder glücklich.“

Eine Frau in buntem Kopftuch steht lachend neben einem Wasserhahn im Freien
Damata ist erleichtert, dass sie endlich wieder Zugang zu sauberem Wasser hat Abdul-Manaph Ouro-Djeri
Eine Frau in buntem Kopftuch dreht einen Wasserhahn auf, der zu einem Brunnen gehört
Damata holt Wasser von dem neu installierten Brunnen im Dorf Abdul-Manaph Ouro-Djeri

Der Welleneffekt von sauberem Trinkwasser

Für Damata brachte der neue Brunnen neben dem praktischen Nutzen auch ein Stück Würde zurück. „Wenn eine Frau ihre Periode hat, kann sie sich jetzt waschen und ihre Intimhygiene erledigen, ohne bis zum Abend warten zu müssen“, erklärt sie.

In einem von Gewalt zerrütteten Leben fühle sich dieser kleine Akt der Kontrolle ganz groß an. Doch auch ihr Zugehörigkeitsgefühl hat sich dank des Projekts von Plan International deutlich verbessert. Die Workshops halfen ihr und ihren Kindern, neue Kontakte zu knüpfen. „Es ist für uns einfacher geworden, Beziehungen zu unseren Gastfamilien aufzubauen“, sagt Damata. Bei einer einheimischen Familie, die ihr Haus für die Mutter und ihre Kinder geöffnet hat, hat sie inzwischen etwas Stabilität gefunden.

Doch ihre Gedanken kreisen um das, was sie verloren hat – ihren Mann und ihre Tochter in Ghana, das Land, das sie nicht mehr bewirtschaften kann, das Leben, das sie hinter sich lassen musste. „Ich hoffe, dass eine Lösung für diese Krise gefunden wird“, sagt sie, “damit andere Familien nicht das Gleiche durchmachen müssen wie wir.“

Zwei Mütter, eine Hoffnung

Zwei Jahre nach der Vertreibung ist Damatas Geschichte eine von Überlebenswillen und stiller Stärke. In einer von Gewalt gezeichneten Region ist sie der Beweis dafür, dass selbst kleine Taten der Unterstützung einen großen Unterschied machen können.

Adjaratou geht es ähnlich. Sie ist heute ein wichtiger Teil ihrer neuen Gemeinde, ihr Status als Geflüchtete tritt immer mehr in den Hintergrund. Zusammen mit den Ernten wachsen auch ihre Ambitionen. „Ich möchte einen kleinen Raum mieten, um meine Produkte zu verkaufen und mich an der Entwicklung meiner neuen Heimat zu beteiligen“, sagt sie mit entschlossener Stimme.

Frau holt Wasser von einer Wasserstelle im Freien, mit einer Schale aus Blech.
Die neue Wasserstelle gibt den Frauen viele Freiheiten zurück Abdul-Manaph Ouro-Djeri

Die dreifache Mutter hofft, dass solche gemeinnützigen Projekte wie das von Plan International weitergeführt und mehr Frauen unterstützt werden. „Ich habe gelernt, wie ich Lebensmittel anbauen kann, anstatt auf Almosen zu warten. Jetzt kann ich mich selbst versorgen.“ Während sie ihre Parzelle pflegt, sät Adjaratou die Saat für eine bessere Zukunft – für sich, ihre Kinder und ihre neue Gemeinde.

Die Geschichten von Adjaratou und Damata wurden mit Material aus dem Plan-Büro in Togo gesammelt und aufgeschrieben.

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