
Naimars Reise der Selbstfindung
2019 begab sich die 18-jährige Naimar auf eine lebensverändernde Reise und verließ ihre Heimat Venezuela, um zu ihrem Vater nach Peru zu ziehen. Mit im Gepäck: Eine Mischung aus Aufregung, das Land ihrer Großeltern väterlicherseits zu erkunden, und Wehmut gegenüber dem Leben, das sie zurücklassen würde.
Naimar trieb die Sorge um, dass die Menschen in ihrer neuen Heimat sie vielleicht nicht verstehen würden, da Peru sich in seinen Traditionen und kulturellen Prägungen von Venezuela unterscheidet. Ihre Furcht war auch, als Teenager keinen Anschluss zu finden.
„Ich sehnte mich danach, meinen Vater wiederzusehen, aber ich hatte auch Angst, dass die Menschen mich nicht verstehen.“
Ankunft in Lima
Als Naimar in Lima ankam, stand sie vor der schwierigen Aufgabe, sich an ein neues Land anzupassen. Sie hatte Angst, als venezolanische Migrantin missverstanden zu werden; aber ihr Wunsch, mehr über Peru zu lernen, überwog ihre Befürchtungen. In der Schule empfingen ihre Klassenkamerad:innen sie herzlich – neugierig wollten sie mehr über Naimar erfahren.
„Sie hießen mich willkommen und stellten mir Fragen darüber, wie mein Land aussieht, was die Menschen dort essen und welche Bräuche wir haben“, erzählt sie und fügt hinzu, dass das echte Interesse an ihrem Leben ihr half, sich willkommen und wie zu Hause zu fühlen.
Ihr Zugehörigkeitsgefühl wurde noch stärker, als sie an einem Workshop teilnahm, der innerhalb des ELLA-Projekts („Empowerment, Local Leadership and Accountability“, deutsch: Stärkung, lokale Führung und Verantwortlichkeit) von Plan International organisiert wurde. Mit dem ELLA-Projekt unterstützt Plan jugendliche Mädchen und junge Frauen, insbesondere venezolanische Geflüchtete und Mitglieder der Aufnahmegemeinschaft, indem die Kinderrechtsorganisation sich für ihre Rechte, ihre Gesundheit und ihr Wohlergehen einsetzt. Für Naimar waren die Workshops ein Wendepunkt, da sie ihr einen sicheren Raum zum Lernen und Wachsen boten. In den Sitzungen lernte sie Themen kennen, mit denen sie sich zuvor noch nie beschäftigt hatte, wie beispielsweise sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte (SRGR).

„Ich wusste, dass die Gründung einer Familie gegenseitiges Einvernehmen erfordert. Der Workshop machte mir klar, dass dies auch die Entscheidung nach dem Wann umfasst.“

Wissen, das stärkt: Von Aufklärung zu Selbstvertrauen
Die Workshops behandelten Themen wie sexuelle Selbstbestimmung, Verhütungsmethoden und Familienplanung. Zu den Aktivitäten gehörten die Analyse anonymer Berichte über Belästigungen und die Diskussion möglicher Lösungen. Ein Gynäkologe aus einem örtlichen Gesundheitszentrum sprach über die unterschiedlichen Verhütungsmethoden. Für viele Teilnehmer:innen waren dies neue Informationen.
Ein Workshop zum Thema Identität hatte eine besonders tiefgreifende Wirkung. Naimar stellte fest, dass es vielen jungen Menschen, darunter auch ihr selbst, schwerfiel, ihre eigenen Fähigkeiten zu erkennen: „Mir wurde klar, dass es viele Mädchen gab, die sich selbst nicht als einzigartige Individuen sahen“. Diese Erkenntnis motivierte Naimar, an jeder Sitzung teilzunehmen, wobei jede einzelne ihr Selbstvertrauen und ihre Selbstständigkeit stärkte.

Durch das ELLA-Projekt gewann Naimar mehr als nur Wissen – sie entdeckte die Kraft der Information. Die Workshops gaben ihr die Werkzeuge an die Hand, die sie brauchte, um fundierte Entscheidungen über ihr Leben zu treffen, und inspirierten sie dazu, das Gelernte mit anderen zu teilen. „Je mehr wir uns mit sexuellen und reproduktiven Rechten befassten, desto ernster wurde es“, sagt sie. „Wir alle hatten das Gefühl: Hey, da draußen gibt es noch mehr Informationen.“
Seit seiner Gründung hat das ELLA-Projekt junge Menschen in ganz Lima geschult und ihnen Unterstützung in Sachen Selbstfürsorge, Schutzmechanismen und SRGR entgegengebracht. Auch Gesundheitsdienstleister:innen und Gemeindevorsteher:innen profitierten von den Schulungen, da sie nun eine qualitativ hochwertige Unterstützung und Versorgung gewährleisten können und mit psychologischen Erste-Hilfe-Fähigkeiten ausgestattet sind.
Jugendliche im Fokus
In den letzten drei Jahren wurden im Rahmen des Projekts 3.230 Menstruationshygiene-Sets verteilt und 3.247 bedürftige Menschen mit Geldtransfers und Lebensmittelgutscheinen versorgt, um sicherzustellen, dass benachteiligte Jugendliche Zugang zu lebensnotwendigen Ressourcen haben.
Für Naimar war das ELLA-Projekt eine Quelle der Selbstermächtigung. „Jede Sitzung war ein weiterer Schritt in Richtung Selbstständigkeit“, sagt sie. Das erworbene Wissen hat ihren Weg geprägt und sie zu einem Vorbild für ihre Altersgenossinnen gemacht.
Naimars Geschichte wurde mit Material aus dem Plan-Büro in Peru erstellt.
