
Wenn Mädchen die Führung übernehmen
Joselyn (18) und Luciana (16) eint weit mehr als nur ihre Heimat Peru. Beide Mädchen sind im dicht besiedelten Bezirk Comas aufgewachsen – im Einzugsgebiet der Hauptstadt Lima. Und beide haben eine klare Vision: Sie wollen zeigen, dass Mädchen und Jugendliche eine Führungsrolle übernehmen können und sollten. Nicht nur um ihr eigenes Leben zu verändern, sondern um drängende gesellschaftliche Probleme wie Gewalt, Diskriminierung und Umweltschutz anzugehen.


Joselyn: Eine Stimme für echten Wandel
„Mein erstes großes Vorbild war meine Mutter. Sie hat mir beigebracht, dass man ständig für Veränderungen kämpfen muss“, sagt Joselyn stolz. Der Aktivismus wurde ihr quasi in die Wiege gelegt, denn schon als Kind ermutigte ihre Familie das Mädchen, bei Entscheidungen im Haushalt mitzureden und sich an Diskussionen zu beteiligen.
„Seit ich klein war, will ich Veränderungen bewirken. Ich will nicht darauf warten, dass andere kommen und etwas tun, sondern mich selbst für gesellschaftlichen Wandel einsetzen“, fügt die junge Frau selbstbewusst hinzu. Ihr Engagement beruht auf dem Streben nach Gleichberechtigung.
„Ich will nicht darauf warten, dass andere kommen, sondern selbst etwas tun.“
Den Grundstein für ihre späteren aktivistischen Tätigkeiten legte ein Projekt von Plan International, das ihr half, sich der konkreten Probleme in ihrer Gemeinde bewusst zu werden. Sie lernte viel über Belästigung auf der Straße, geschlechtsspezifische Gewalt, Unsicherheit und Machismo – und bekam Tipps, wie sie etwas dagegen unternehmen konnte. Dieses Wissen setze sie zunächst an ihrer Schule ein und setzte sich als Mitglied des Schulrats für das Wohlergehen ihrer Mitschüler:innen, der Lehrkräfte und Eltern ein.


Luciana: Eine Unternehmerin räumt Umwelt und Köpfe auf
Auch Luciana wollte schon als Kind die öffentliche Diskriminierung von Frauen nicht einfach hinnehmen. „Als eine Frau Direktorin an meiner Schule wurde, musste sie sich anhören, warum sie als Frau diesen Posten übernehmen müsse und dass sie doch stattdessen lieber die Klassenzimmer putzen solle“, erinnert sich das Mädchen empört.
Fest entschlossen, solche Vorurteile abzubauen, schloss sie sich einem Projekt von Plan International an, das die unternehmerischen Fähigkeiten von jungen Menschen stärken wollte.
„Der größte Meilenstein war für mich der Übergang vom Projekt zur Realität.“
Luciana lernte in den Workshops, wie sie ihre Stärken und Schwächen erkennt, wie Teamarbeit gelingt sowie Grundlagen zu Finanzen und Geschäftsplanung. Mit diesem Wissen in der Tasche ging es dann an die Entwicklung einer eigenen Geschäftsidee. „Alles begann mit einem Startkapital-Wettbewerb“, erklärt die 16-Jährige begeistert. „Wir bildeten ein Team, organisierten uns, entwickelten eine Idee, präsentierten sie und gewannen.“ Mit ihrer Idee ging Lucianas Team ein anhaltendes Problem in der Gemeinde an: die Umweltverschmutzung.
Von der Idee zum Unternehmen
Um den Plastikverbrauch zu reduzieren, entwickelten die Kinder ein festes Shampoo. „Unser Hauptaugenmerk lag nicht auf dem Verkauf, sondern auf der Lösung eines Problems. Wir haben zuerst an den Nutzen für die Gemeinschaft und die Umwelt gedacht und dann an uns selbst“, erklärt Luciana die Idee.
Ihr grünes Unternehmen taufte die Gruppe „DAFUL“ – eine Kombination aus den Initialen der Vornamen aller fünf Teammitglieder. Allein der Name macht deutlich, was hier von Anfang an großgeschrieben wurde: Teamarbeit. Verkauft wurde das Shampoo auf Messen, die von den Teilnehmer:innen des Projekts selbst organisiert wurden.
„Der größte Meilenstein war für mich der Übergang vom Projekt zur Realität“, betont Luciana stolz. „Vorher war es nur eine Idee. Wir haben sie zum Leben erweckt und in die Realität umgesetzt.“


Von der Schülersprecherin zur Aktivistin
Joselyns Vorhaben, den Stimmen von Mädchen und jungen Frauen Gehör zu verschaffen, blieb ebenfalls nicht bei einer bloßen Idee. Neben ihrer Tätigkeit im Schulrat wurde sie 2022 Sprecherin der Plan-Kampagne zum Weltmädchentag und übernahm für einen Tag die Rolle der Image- und PR-Managerin von Avon.
Außerdem hielt sie eine Rede über die politische Beteiligung von Mädchen und Jugendlichen bei der Fotoausstellung, in der 20 junge Frauen bildlich festgehalten haben, welche Herausforderungen sie bei der politischen Einflussnahme erleben. „Die größten Herausforderungen, mit denen ich auf meinem Weg als Führungskraft konfrontiert wurde, sind der Erwachsenenzentrismus und die Vorurteile, die uns als Mädchen im Teenageralter gegenüber bestehen“, erklärt Joselyn.
Aber mit dem Vorurteil, Jugendliche könnten nichts bewegen oder hätten keine Meinung, will Joselyn ein für alle Mal aufräumen. Also engagierte sie sich in einem weiteren Plan-Projekt und befasste sich dort unter anderem mit dem Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt. Sie traf sich sogar mit dem kanadischen Botschafter, um ihm zu erläutern, wie wichtig das politische und gesellschaftliche Bewusstsein für die Rechte von Mädchen ist.


Weil Mädchen politisch sind
Über die Jahre engagierte sich Joselyn immer weiter für die Kampagnen von Plan International, wie etwa am Weltfrauentag 2024, wo sie digitale Inhalte zur Stärkung der Führungskompetenzen von Mädchen und Jugendlichen entwickelte. Heute ist sie eine der prominentesten jungen Aktivistinnen Perus.
Sie ist Koordinatorin des Beirats für Kinder und Jugendliche im Bezirk Comas und bringt auch auf nationaler Ebene die Forderungen von Kindern und Jugendlichen ein. Zum Beispiel hat sie ein Treffen mit dem Präsidenten des peruanischen Ministerrats geleitet, bei dem sie ihre Pläne zur Bekämpfung der Geschlechterungleichheit vorstellte. Als Regionaldirektorin des Globalen Netzwerks junger Politiker:innen entwickelt sie ihr Wissen über Politik, internationale Beziehungen und Kinderrechte weiter und setzt es in die Praxis um.
Weil Mädchen führen wollen
Wie wertvoll ein solches Netzwerk sein kann, weiß auch Luciana. Denn ohne den Rückhalt seitens ihrer Schule, Lehrkräfte und der Familien, die ihre Initiative unterstützt haben, hätte sie es nie so weit geschafft. „Was mich am meisten stolz macht, ist meine Entwicklung und die Tatsache, dass ich anderen geholfen habe“, sagt sie.
Wie Joselyn zwei Jahre zuvor, übernahm auch Luciana am Weltmädchentag 2024 einen Führungsposten: Sie durfte für einen Tag die Geschäftsführerin der Scotiabank sein. Das half ihr sehr, ihre Führungsqualitäten und ihr Engagement auszubauen. „Ich habe das alles auf mein Unternehmen übertragen, um es zu stärken.“ Darüber hinaus nahm sie an einem Forum über die Auswirkungen des Klimawandels auf Mädchen und Jugendliche teil, wo sie sich mit geschlechtsspezifischer Gewalt, Bildungslücken, Gesundheit und Menstruationshygiene befasste.

Joselyns und Lucianas Botschaft an Mädchen weltweit: „Vertraut auf eure Fähigkeiten und gebt niemals eure Träume auf.“


Eine Botschaft für Peru und den Rest der Welt
Joselyn studiert inzwischen Jura und Politikwissenschaften an einer der renommiertesten Universitäten Perus. Sie ist fest entschlossen, sich auch in Zukunft für Gleichberechtigung einzusetzen – national wie international. „Meine Reise als Aktivistin hat mir gezeigt, dass wir als junge Menschen echte und sinnvolle Veränderungen in unserer Gesellschaft bewirken können“, ermutigt Joselyn.
Luciana hat ebenfalls noch große Pläne. Sie will ein Netzwerk von Unternehmerinnen schaffen, das Mädchen und junge Frauen anleitet und motiviert, an ihre Fähigkeiten zu glauben, die Initiative zu ergreifen und ihr eigenes Unternehmen zu gründen. „Finanzielle Bildung soll alle Schulen erreichen, um eine bessere Wirtschaft zu schaffen, an der Mädchen mitwirken können“, sagt sie.
Joselyns und Lucianas Botschaft an Mädchen weltweit: „Vertraut auf eure innere Stimme, auf eure Fähigkeiten und gebt niemals eure Träume auf. Lebt mit Authentizität, und vor allem ohne Angst.“
Die Geschichte von Joselyn und Luciana wurde mit Material aus dem peruanischen Plan-Büro zusammengestellt und aufgeschrieben.