
Echte Männer, echter Wandel
In einer kleinen ländlichen Gemeinde Ghanas, nahe der Grenze zu Togo, trifft sich regelmäßig eine Gruppe Männer im Real Fathers’ Club, dem „Club der echten Väter“. Ihr unscheinbares Dorf liegt idyllisch inmitten der üppig bewachsenen Landschaft der Provinz Oti, in der die Baumsavanne langsam in den tropischen Regenwald übergeht.
Die Männer kommen zusammen, um traditionelle Rollenbilder zu hinterfragen: Ist Hausarbeit auch Männersache? Wie gelingt eine partnerschaftliche Erziehung? Und was braucht es, um schädliche Praktiken wie die weibliche Genitalverstümmelung (FGM/C) endgültig zu beenden? Mit ihren Diskussionen verändern die engagierten Club-Mitglieder Familienstrukturen nachhaltig und prägen kulturelle Erwartungen neu – sie wollen zeigen, dass echter Wandel mit echten Männern anfängt.



Tradition im Wandel
Michael ist 41 Jahre alt, Lehrer, Landwirt – und Vater von sechs Töchtern. Für ihn steht fest: „Echte Veränderung beginnt bei uns.“ Gemeint sind damit die Väter und Ehemänner.
Gemeinsam mit anderen Männern aus seiner Gemeinde trifft er sich regelmäßig im Real Fathers’ Club und spricht mit ihnen über die Rechte von Mädchen, Gleichberechtigung und überholte Rollenbilder. „Wenn wir die Arbeit zu Hause teilen, profitieren alle davon“, sagt er fest entschlossen.
In seiner Heimat galt lange als selbstverständlich: Kochen, Kinderbetreuung und Hausarbeit sind Frauensache, während Männer sich ausschließlich dem Ackerbau und anderen als „männlich“ geltenden Aufgaben widmen. Doch dieses Rollenverständnis beginnt sich nun zu wandeln – auch dank des Real Fathers’ Club, den Plan International im Jahr 2024 gegründet hat.
Männer übernehmen Verantwortung im Familienalltag
Der Club schafft in erster Linie Raum für Austausch und ermöglicht es den Männern, zusammen mit Gleichgesinnten ihre Vorstellungen von Männlichkeit neu zu definieren. Inzwischen übernehmen viele Väter in Michaels Gemeinde Verantwortung im Haushalt und bauen eine engere Bindung zu ihren Kindern auf. Das prägt wiederum die heranwachsende Generation und schafft positive Veränderungen, von denen die Kinder nachhaltig profitieren. Die Väter hinterfragen auch tief in der Gesellschaft verwurzelte, geschlechtsspezifische Praktiken; dazu gehört unter anderem die weibliche Genitalverstümmelung.
Inzwischen zählt der Club 24 Mitglieder, die sich zweimal im Monat treffen. Die Ehemänner und Väter tauschen sich über ihr Familienleben aus und lernen, wie sie zu einem harmonischen Zuhause beitragen können – sowohl emotional als auch finanziell.

„Heute trage ich das Feuerholz.“
Michael gibt zu, dass er früher glaubte, unbezahlte Pflegearbeit sei ausschließlich Frauensache. Doch seit er im Real Fathers’ Club ist, hat sich seine Sichtweise grundlegend verändert:
„Früher ließen wir Männer die Frauen das Feuerholz tragen, mit dem Baby auf dem Rücken, während wir nur die Werkzeuge trugen“, erklärt er. Ganz der traditionellen Rollenverteilung entsprechend. „Heute trage ich das Feuerholz“, ergänzt er stolz.
„Der Club hat mir sehr geholfen. Wir tauschen Ideen aus, wie wir unsere Frauen im Haushalt unterstützen können, damit sie sich auch mal ausruhen können. Und wir motivieren auch die Kinder, mitzuhelfen.“
Stärkere Partnerschaft, harmonisches Zuhause
Was Michael im Club gelernt hat, hält mittlerweile mehr und mehr Einzug in seinen Familienalltag. „Wenn meine Frau kocht, helfe ich ihr beim Schneiden. So sind wir schneller fertig und haben noch Zeit für Gespräche mit der Familie“, sagt er.
„Ich konzentriere mich jetzt mehr auf meine Töchter. Jeden Tag setze ich mich mit ihnen zusammen und frage, was sie brauchen. Wenn sie zum Beispiel Schulsachen benötigen, besorge ich sie. Ich will ihre Zukunft sichern.“ Michael ist überzeugt: Eine gleichberechtigte Partnerschaft, in der man sich die täglichen Aufgaben teilt und auf Augenhöhe begegnet, entlastet nicht nur seine Frau, sondern stärkt auch ihre Beziehung – und schafft ein harmonischeres Zuhause für ihre Kinder.



Wenn Väter für ihre Töchter einstehen
Michaels älteste Tochter Enyonam, 17 Jahre alt und Schülerin an einer weiterführenden Schule, merkt die Veränderung im Verhalten ihres Vaters deutlich. „Ich bin froh, dass er uns unterstützt“, sagt sie. „Einige meiner Freundinnen erzählen, dass ihre Eltern kaum mit ihnen sprechen oder sich nicht für ihre Bedürfnisse interessieren. Aber ich finde, Eltern sollten ihren Kindern Liebe zeigen, so wie meine Eltern es tun.“
„Ich ermutige meine Töchter, mir von ihren Träumen zu erzählen.“
Auch Agbeko, 47 Jahre alt, Jäger, Landwirt und Vater von sechs Kindern, ist Mitglied des Väterclubs und teilt Michaels Ansichten. „Die Leute sagen oft, ich hätte viele Töchter – und ich bin stolz darauf“, erzählt er. „Ich ermutige meine Töchter, mir von ihren Träumen zu erzählen, damit ich sie darin unterstützen kann. Mein Vater hat mich damals nicht unterstützt, aber ich möchte es bei meinen Kindern anders machen.“
Agbeko betont, wie wichtig ihm eine offene Kommunikation mit seinen Kindern ist. „Meine Töchter sollen wissen, dass sie mit allem zu mir kommen können. Wenn sie etwas brauchen, helfe ich und wenn ich nicht helfen kann, bin ich ehrlich mit ihnen.“ So will der fürsorgliche Vater ein geschütztes und liebevolles Zuhause für seine Familie schaffen.


Naomi, Agbekos 16-jährige Tochter, wächst in einer Familie auf, in der offen über viele Themen gesprochen wird, auch über sensible Themen wie weibliche Genitalverstümmelung, die sonst eher ein gesellschaftliches Tabu sind. Ihre Eltern haben sie umfassend aufgeklärt, und sie fühlt sich ernst genommen und gestärkt. Besonders schätzt sie die Haltung ihres Vaters: „Ich finde es sehr gut, dass mein Vater dagegen ist“, erklärt sie.
Naomi möchte auch andere ermutigen, über FGM/C zu sprechen und sich dagegen einzusetzen. „Meine Botschaft an andere Gemeinden: Hört auf mit FGM! Es kann zu Infektionen und sogar zum Tod führen. Das ist nicht richtig.“
Schluss mit FGM – für immer
Viele Väter sehen ihre Verantwortung heute nicht mehr nur im eigenen Zuhause, sondern auch in der Gemeinschaft – etwa wenn es darum geht, Mädchen vor Teenagerschwangerschaften zu schützen, sie nicht mehr als Kinder zu verheiraten und sie nicht mehr beschneiden zu lassen.
„FGM muss aufhören“, sagt Michael entschlossen. „Es schadet den Mädchen und hat schwerwiegende Folgen. Damit darf es einfach nicht weitergehen.“ Er und Agbeko sagen, dass FGM in ihrer Gemeinde inzwischen nicht mehr praktiziert werde und endgültig der Vergangenheit angehöre.
Agbeko ist erleichtert darüber: „Früher kam das hier vor, aber das ist vorbei. In meiner Familie gibt es das nicht. Es war früher weiter verbreitet, aber heute spielt es bei uns keine Rolle mehr.“ Doch nur weil die Praxis beendet ist, heißt das nicht, dass auch die Bildungs- und Aufklärungskampagnen dazu enden müssen. Da sind sich die beiden engagierten Väter einig. Sie halten es für unverzichtbar, dass weiter über das Thema gesprochen wird – um einem möglichen Wiederaufleben vorzubeugen.







Der Real Fathers' Club
Die Väterclubs sind Teil eines größeren Projekts, mit dem Plan International Familien wie die von Michael und Agbeko unterstützt – und zwar nicht nur die Männer, sondern auch Mädchen und Frauen. Unter anderem stellt die Kinderrechtsorganisation auch Menstruationsprodukte bereit und trägt zur Aufklärung über die Menstruationshygiene bei.
Der Väterclub wurde ins Leben gerufen, um positive Männlichkeitsbilder und eine geschlechtergerechte Erziehung in der Oti-Region Ghanas zu fördern. Die Männer der Gemeinde – überwiegend Landwirte – sollen dadurch eine Plattform bekommen, um Erfahrungen auszutauschen und über ihre Rolle in einem gleichberechtigten und harmonischen Familienleben nachzudenken. Sie lernen dort zum Beispiel, wie sie ihre Frauen bei unbezahlter Care-Arbeit (z. B. Kochen oder der Schulweg der Kinder) unterstützen können und die Beziehung zu den eigenen Kindern stärken. Plan International arbeitet seit 2021 mit der Gemeinde zusammen.
Das Projekt zeigt: Wandel ist möglich, selbst in den traditionellsten Gemeinschaften. Echte Veränderung, so bringt es Michael auf den Punkt, beginnt eben mit echten Männern.
Die Geschichte vom Real Fathers' Club wurde mit Material aus dem ghanaischen Plan-Büro aufgeschrieben.