
Vom Glück einer Nahrungsmittelhilfe
Nach tagelangem Hunger bringt die Verteilung von Lebensmitteln für Nyanchiol endlich Hoffnung: „Ich habe die letzten zwei Tage nichts gegessen, und davor nur wildes Gras“, sagt die 65-Jährige aus dem Bezirk Pigi im Norden von Südsudan. „Heute werde ich zum ersten Mal seit Wochen wieder richtiges Essen haben.“
Lebensmittel sind in dem ostafrikanischen Binnenstaat knapp und teuer. Getreide oder Speiseöl könnten sich weder Nyanchiol noch ihre siebenköpfige Familie leisten, denn ihnen fehle es an Einkommen. Wegen der zuletzt eskalierenden Gewalt in Südsudan traute sich jetzt kaum jemand mehr, in der Wildnis nach essbaren Gräsern zu suchen. Viele Menschen blieben aus Sicherheitsgründen vermehrt in den größeren Siedlungen, unter anderem in den nördlichen Regionen des Landes wie Pigi.

„Heute werde ich zum ersten Mal seit Wochen wieder richtiges Essen haben.“


Ein halbes Land hungert und ist auf humanitäre Hilfe angewiesen
Südsudan befindet sich in einer humanitären Krise mit einer sich immer weiter ausbreitenden Hungersnot. Derzeit leiden über 7,7 Millionen Menschen unter Mangelernährung – das ist mehr als die Hälfte der Bevölkerung des ostafrikanischen Landes. Etwa 83.000 Menschen davon stehen nach aktuellen Erhebungen am Rande des Verhungerns; 2,3 Millionen Menschen sind von Unterernährung bedroht – ein deutlicher Anstieg gegenüber den 2,1 Millionen, die noch zu Beginn des Jahres verzeichnet worden waren.
83.000 Menschen stehen in Südsudan am Rande des Verhungerns.
In einer Krise wie dieser stellt die Nahrungsmittelhilfe internationaler Organisationen ein wesentliches Mittel zum Überleben der Bevölkerung dar. Mit Unterstützung des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen (WFP) liefert Plan International lebenswichtige Nahrungsmittel wie Sorghum, Öl und Linsen an besonders gefährdete Gemeinden in Rumbek, Malakal und Canal/Pigi – Gebiete, die stark von Konflikten und der Vertreibung von Bevölkerungsgruppen betroffen sind.
Die Lieferungen tragen dazu bei, das Überleben der Familien zu sichern. Kindern wird dadurch die Fortsetzung ihrer schulischen Bildung ermöglicht sowie die in Krisen besonders gefährdeten Mädchen und Frauen vor Risiken wie Gewalt und Missbrauch geschützt.


Wenn die Preise für Grundnahrungsmittel explodieren
Zu den Begünstigten der Nahrungsmittelhilfe in Pigi gehört die Studentin Lina. „Ich bin froh, dass ich heute etwas essen kann“, sagt die 21-Jährige, die mit ihren Geschwistern zusammenlebt und ihren Sack Sorghum mit ihnen teilen will. Sie und ihre Angehörigen seien angesichts des aufgeflammten Konflikts verängstigt. „Wir wissen nicht, was als Nächstes passieren wird, deshalb sind wir froh, dass wir diese Nahrungsmittelhilfe bekommen haben. Wir können uns auch wieder auf das Lernen konzentrieren.“ Lina will nach ihrem Abschluss Ärztin werden. „Ich möchte in meiner Gemeinde helfen, wenn es den Menschen dort schlecht geht“, skizziert sie die Hoffnungen auf ihre berufliche Zukunft.
Trotz der lebensrettenden Maßnahmen übersteigt der Bedarf der Menschen die verfügbaren Hilfsgüter in erheblichem Umfang. Außerdem hat der anhaltende Konflikt in Südsudan wichtige Versorgungswege unterbrochen. Waren- und Gütertransporte sind in Gegenden wie dem Bundesstaat Oberen Nil kaum mehr möglich. Die Preise für Grundnahrungsmittel sind auf den dortigen Märkten in die Höhe geschnellt – Preise, die sich viele von Armut betroffene Familien nicht mehr leisten können.
„Wir nehmen für vier Kartoffeln 15.000 Südsudanesische Pfund.“
„Hier auf dem Markt nehmen wir für vier Kartoffeln 15.000 Südsudanesische Pfund (SSP, umgerechnet etwa 2 Euro), anstatt kürzlich noch 5.000 SSP“, sagt Cecilia, eine Marktverkäuferin. Da es in Canal/Pigi keinen funktionierenden Handelsplatz mehr gibt, müssen die Menschen von dort über drei Stunden mit dem Boot zum nächstgelegenen Markt nach Malakal fahren, wo sie zugleich überhöhte Preise für die wenigen verfügbaren Lebensmittel bezahlen müssen.

Die Gemeinden wollen unabhängig von auswärtiger Hilfe sein
Da in den kommenden Wochen die Regenzeit ansteht, könnte sich die ohnehin prekäre Lage verschlimmern. „Wir erwarten Überschwemmungen“, warnt ein Gemeindeleiter. „Wir brauchen Unterstützung, um dann solche Überschwemmungen selbst in den Griff zu bekommen und eine Verschlimmerung der Situation zu verhindern.“
„Wir rufen zum Frieden auf, damit die Bevölkerung ihre eigenen Pflanzen anbauen kann.“
Die Gemeindeleiter fordern langfristige Lösungen für ihre Dörfer. „Wir wollen nicht ewig von der Hilfe anderer abhängig sein“, sagt der für Canal/Pigi zuständige Kommissionsleiter. „Wir bitten Plan International und das WFP, uns dabei zu helfen, robuste landwirtschaftliche Projekte zu starten. Wenn wir einen Generator zur Bewässerung hätten, könnten wir beispielsweise in der Trockenzeit in der Nähe des Nils Landwirtschaft betreiben und unsere eigenen Lebensmittel produzieren.“
Der Leiter der Nothilfeabteilung von Plan International, Killen Otieno, schließt sich diesem Appell an: „Wir rufen zum Frieden am Nil auf, damit die Bevölkerung von der Nahrungsmittelhilfe dazu übergehen kann, selbst ihre eigenen Pflanzen anzubauen, ohne Angst vor Vertreibung oder Konflikten.“


Menschen sollen in die Lage versetzt werden, wieder selbst für ihre Ernährung sorgen zu können
Die harte Realität ist, dass Kinder – insbesondere Mädchen und junge Frauen – die Last der aktuellen Krise tragen müssen. Der Hunger hält nicht nur Kinder von der Schule fern, die prekäre Versorgungslage setzt auch Mädchen dem erhöhten Risiko aus, früh verheiratet zu werden. Außerdem steigt das Risiko geschlechtsspezifischer Gewalt bei Frauen. Die jüngsten Mittelkürzungen bei der internationalen Programmarbeit und humanitären Hilfe haben das Potenzial, noch mehr Familien in eine verzweifelte Lage zu bringen.
Das Leben von Millionen Menschen weltweit hängt von den Zuwendungen internationaler Geldgeber ab.
„Wir appellieren dringend an institutionelle Partner und die internationale Gemeinschaft, der Nahrungsmittelhilfe einen Vorrang zu geben, den Zugang für humanitäre Hilfe zu schützen und in langfristige Lösungen zu investieren, die Widerstandsfähigkeit und Eigenständigkeit der Menschen fördern“, sind sich die Fachleute der Kinderrechtsorganisation Plan International einig. „Das Leben von Millionen von Menschen – insbesondere das von Kindern, Mädchen und Frauen – hängt nicht nur in Südsudan davon ab.“
Die Geschichte wurde mit Material aus dem Plan-Büro in Südsudan erstellt.