
Schulbank statt Stillstand
Zerschossene Schulen, leere Dörfer, tausende Kinder auf der Flucht: In Burkina Faso hat sich die Sicherheitslage seit 2017 verschärft. Vor allem die Regionen im Norden des Landes überziehen bewaffnete Gruppen mit Terror: Sie attackieren Dörfer, brennen Häuser nieder und greifen gezielt Bildungseinrichtungen an. Lehrkräfte werden bedroht, Schulen sind geschlossen, ganze Gemeinden sind zur Flucht gezwungen. Die Gewalt hat ein Klima ständiger Angst geschaffen. Für Millionen Menschen ist der Alltag zu einem ständigen Ringen ums Überleben geworden, und rund 2,4 Millionen Menschen sind innerhalb des Landes auf der Flucht – unter ihnen hunderttausende Kinder. Ihre Schulbildung endete abrupt. Immer mehr Mädchen und Jungen verlassen das Land, auf der Suche nach Schutz und Hoffnung.
Togo, das kleine Nachbarland im Süden, wird für viele von ihnen zum Zufluchtsort. Besonders betroffen ist die Region Savanes im Norden, direkt an der Grenze zu Burkina Faso. Sie zählt zu den ärmsten Regionen des Landes. Die Herausforderungen sind dort enorm: marode Infrastruktur, Wasserknappheit, schwaches Bildungssystem, hohe Armutsquote. Und doch nimmt die Region seit 2022 zunehmend Geflüchtete auf, viele von ihnen Kinder, oft traumatisiert und ohne Zugang zu Schule.


Rachidatou steht nicht allein
Eine von ihnen ist Rachidatou. Als die Angriffe in ihrem Heimatdorf zunahmen, floh sie mit ihrer Mutter über die Grenze nach Togo. Zurück blieb alles, was ihr Leben ausmachte: ihre Freundinnen, ihre Sprache, ihr Zuhause. Indes nicht ihr Traum – denn sie wollte weiter zur Schule gehen, auch und gerade, um sich später einen besonderen Berufswunsch erfüllen zu können: Die wissbegierige junge Frau möchte Ärztin werden. Doch ohne gezielte Unterstützung bleibt Bildung für viele Kinder und Jugendliche in Togo unerreichbar.
Genau hier setzt das Bildungsprojekt an, das von Plan International gemeinsam mit Partnerorganisationen vor Ort umgesetzt wird. Es verfolgt ein klares Ziel: In einer Region, in der Gewalt und Armut das Leben vieler Menschen bestimmen, sollen Schulen wieder Orte der Sicherheit, Teilhabe und Zukunft werden – für alle Kinder, unabhängig von Herkunft, Geschlecht oder Einschränkungen.
Bildung für alle
Das Projekt konzentriert sich auf den Ausbau der Sekundarschulbildung in benachteiligten Regionen Togos. Im Fokus stehen besonders Mädchen, Kinder mit besonderen Bedürfnissen und geflüchtete Jugendliche – Gruppen, die im Schulsystem häufig benachteiligt sind. Neben dem Bau und der Sanierung von Klassenzimmern setzt das Projekt auf inklusive Unterrichtspraktiken, die Weiterbildung von Lehrkräften sowie die Aufklärung von Gemeinden über Gleichberechtigung und Kinderrechte. Das Ziel: ein sicheres, offenes Lernumfeld für alle – unabhängig von Herkunft, Geschlecht oder körperlichen Voraussetzungen.

„Als ich nach Togo kam, hatte ich Angst. Jetzt bin ist stolz, hier zur Schule zu gehen.“
Zwischen Flucht und Klassenzimmer
Die 18-jährige Rachidatou lebt heute mit ihrer Mutter in einem Dorf der Region Savanes. 2023 floh sie aus Burkina Faso – die ständige Bedrohung durch bewaffnete Gruppen ließ ihnen keine Wahl. „Ich wusste nicht, wie ich aufgenommen werde und kannte das Schulsystem nicht", erinnert sie sich.
Rachidatou lebt von Geburt an mit Albinismus, einer genetischen Pigmentstörung, die mit Sehbeeinträchtigung und sozialer Ausgrenzung verbunden ist. Im Unterricht ist das eine tägliche Herausforderung. „Wenn Lehrer an die Tafel schreiben, kann ich das kaum erkennen. Ich schreibe später aus den Heften meiner Mitschülerinnen ab.“ Trotz allem gibt sie nicht auf. Bildung ist für sie der einzige Weg nach vorn, ihr Mittel, sich selbst und anderen zu helfen.
Ein Projekt mit Wirkung
Die ersten Wochen in der neuen Schule waren schwer: fremde Dialekte und Regionalsprachen sowie ungewohnte Abläufe. Doch bald spürte Rachidatou, dass sie nicht allein war. „Meine Klassenkameradinnen waren freundlich und haben mir geholfen, mich einzuleben."
Die Mädchen und jungen Frauen tragen damit ebenfalls zu Erfolg des Projekts bei. Tatsächlich gehen inzwischen immer mehr Kinder wieder regelmäßig zur Schule. Mädchen, die ehedem früh verheiratet worden wären, bleiben länger im Unterricht. Kinder mit besonderen Bedürfnissen werden nicht länger ausgeschlossen. Ein zentrales Ziel des Projekts ist es, den sozialen Zusammenhalt zwischen Geflüchteten und aufnehmenden Gemeinden zu fördern. Viele Lehrkräfte arbeiten heute bewusster mit gemischten Klassen, stärken Toleranz und gegenseitiges Verständnis. Auch außerhalb der Schule gibt es Fortschritte: Gemeindekampagnen sensibilisieren für die Kinderrechte, insbesondere für die Bedeutung von Bildung von Mädchen.


„Bleibt stark“ – Rachidatous Botschaft
Trotz aller Hürden denkt Rachidatou nicht ans Aufgeben. Und sie hat sich ein großes Ziel gesetzt: „Ich möchte Ärztin werden. Ich will Menschen helfen – so wie mir geholfen wurde.“
Ihre Geschichte steht exemplarisch für viele: für das Potenzial jedes Kindes, wenn es gesehen und gefördert wird. „Meine Botschaft an andere Geflüchtete lautet: Bleibt stark. Diese Situation wird nicht ewig dauern. Ich habe in Togo Frieden gefunden – und ich glaube daran, dass auch in Burkina Faso eines Tages wieder Frieden einkehren wird.“
Die Geschichten von Rachidatou wurden mit Material aus dem togolesischen Plan-Büro aufgeschrieben.