
Mit Herz und Honig
Wenn Nicole zwischen ihren Bienenkästen steht, wirkt sie ganz in ihrem Element. Die junge Bolivianerin spricht mit beeindruckender Klarheit über das Verhalten von Honigbienen, den richtigen Zeitpunkt zur Ernte und die Bedeutung der Jahreszeiten. „Ich komme aus einer Imkerfamilie“, erzählt sie. „Die Imkerei gibt es bei uns seit vielen Generationen.“
Doch das wertvolle Wissen rund um Bienen und ihre Pflege droht verloren zu gehen. Die Nachfrage nach lokal produziertem Honig ist gesunken, viele junge Menschen wenden sich von der traditionellen Imkerei ab. „Unsere Produkte werden kaum noch geschätzt“, sagt Nicole. „Früher gab es viele Imker in der Gemeinde, aber heute halten viele nur noch ein paar Stöcke für den Eigenbedarf.“
Veraltete, beschädigte Bienenkästen stehen ungenutzt herum, das Know-how alter Familienbetriebe verschwindet – und mit ihm ein wichtiges Stück kultureller Identität.


Tradition bewahren – Zukunft gestalten
Nicole wollte das nicht hinnehmen. Inspiriert von ihrer Mutter, die ihr nicht nur das Handwerk, sondern auch Respekt vor den Tieren und der Natur vermittelte, beschloss sie, aktiv zu werden. Sie sprach mit Jugendlichen in ihrer Umgebung, mit den Kindern ehemaliger Imker:innen und erkannte schnell: Es fehlte nicht am Interesse, sondern an Anreiz und Struktur.
So gründete sie die Initiative Junge Imkerei-Talente: ein Netzwerk junger Menschen, das sich dem Erhalt traditionellen Wissens ebenso verschrieben hat wie dessen Weiterentwicklung. Nicole wurde zur Vorsitzenden gewählt und zur Stimme einer Bewegung, die weit über Honig hinausgeht.
„Die Bienen zu schützen bedeutet, die Grundlage für unsere Ernährung und unsere Umwelt zu erhalten.“
„Die Bienen zu schützen bedeutet, die Grundlage für unsere Ernährung und unsere Umwelt zu erhalten“, sagt sie. Laut dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen hängt rund ein Drittel der globalen Nahrungsmittelproduktion von der Bestäubung durch Bienen ab.
In Workshops vermittelt Nicole Wissen über ökologische Zusammenhänge, nachhaltige Bienenhaltung und Biodiversität. Dabei geht es auch um Selbstwirksamkeit: Wer die Natur versteht, kann sie schützen und daraus Perspektiven für die eigene Zukunft entwickeln.


Honig, Ideen, Innovation
Nicole selbst betreut aktuell 18 Bienenstöcke. Jeder liefert etwa 20 Kilogramm Honig pro Jahr. Parallel dazu studiert sie Jura und verdient etwas Geld als Stylistin.
Ihr langfristiges Ziel: aus dem Honig nicht nur ein traditionelles Produkt, sondern eine ganze Palette handgemachter, nachhaltiger Erzeugnisse zu entwickeln. Seifen, Pflegeöle, Kosmetika – alles auf natürlicher Basis und lokal produziert.
Gemeinsam mit ihrer Schwester entwickelte sie bei einem Wettbewerb für Jugendunternehmertum einen Haarconditioner aus Honig und Gelée Royale. Die ungewöhnliche Idee überzeugte und brachte Nicole ein Startkapital ein, das sie im Rahmen des Programms Empodera-T („Mach dich stark“) erhielt. Dieses von Plan International unterstützte Projekt stärkt junge Unternehmer:innen in sechs Gemeinden der Regionen La Paz und Santa Cruz – mit technischer Ausbildung, finanzieller Hilfe und individueller Begleitung.
„Ich habe viele neue Menschen kennengelernt, konnte reisen und Erfahrungen sammeln“, sagt Nicole. Demnächst wird sie ihre Geschäftsidee auch in Sucre, der konstitutionellen Hauptstadt Boliviens, vorstellen und weiterentwickeln.
Wenn Bienen Zukunft stiften
Nicole steht exemplarisch für eine junge Generation, die ihr kulturelles Erbe aktiv in die Zukunft trägt. Sie zeigt, dass Naturschutz, Bildung und wirtschaftliche Teilhabe kein Widerspruch sind, sondern ein starkes Fundament für nachhaltige Entwicklung.
„Wir müssen das bewahren, was unsere Eltern und Großeltern aufgebaut haben“, sagt sie. „Das ist das Wertvollste, das sie uns hinterlassen haben.“
Mit Programmen wie Empodera-T fördert Plan International weltweit die Rechte und Teilhabe von Kindern und Jugendlichen. Besonders Mädchen und junge Frauen erhalten die Chance, ihre Potenziale zu entfalten, Bildung zu nutzen und eigene Wege zu gehen. Die Stärkung traditioneller Fähigkeiten in Verbindung mit Innovation und Pioniergeist ist dabei ein zentraler Baustein nachhaltiger Entwicklungszusammenarbeit.
Dieser Artikel wurde mit Material aus dem bolivianischen Plan-Büro erstellt.
