Eine mutige Mutter gegen Gewalt

Foto: Plan International

Honduras zählt zu den gewaltvollsten Ländern Lateinamerikas – mitunter vorangetrieben durch den Machismo. Diesen Kreislauf der Aggressivität will eine Mutter durchbrechen und ihre Kinder schützen.

In Honduras ist Gewalt an der Tagesordnung – massive Banden- und Drogenkriminalität, die hohe Anzahl an Frauenmorden sowie die tiefgreifende Korruption machen es zu einem der unsichersten Länder Lateinamerikas. Gewalt, Armut, soziale Ungleichheit und fehlende Perspektiven treiben viele Menschen dazu, Richtung USA, Mexiko oder Spanien zu migrieren.

Die Gewalt beginnt oft bereits innerhalb der Familie, wird mit der Kindererziehung als traditionell gegeben von Generation zu Generation weitergetragen. Ein Grund dafür ist der Machismo – ein gesellschaftliches Phänomen, das es Jungen und Männern erlaubt, Mädchen und Frauen herabwürdigend zu behandeln und sich dabei auf angebliche männliche Überlegenheit zu berufen.

Bewaldeter Talkessel mit wolkenverhangenen Bergen im Hintergrund
Etwa 80 Prozent der Fläche von Honduras ist mit Bergen bedeckt. Durch das Departamento Lempira zieht sich die Gebirgskette Cordillera de Celaque Plan International
Eine Mutter und ihre Tochter sitzen nebeneinander auf der Veranda
Lesbia und ihre Tochter Marely haben seit den Workshops ein viel engeres Verhältnis zueinander Plan International

Der Kreislauf der Gewalt beginnt früh

Wie viele Familien in Lempira, einem Departamento im Westen von Honduras, hatte auch Lesbia mit den Folgen dieser generationsübergreifenden Gewaltmuster zu kämpfen. Doch die fürsorgliche Mutter wollte ihren Kindern eine bessere Zukunft ermöglichen. Fest entschlossen, alles dafür zu tun, nahm sie an einem Workshop zum Thema positive Erziehung teil – und lernte dort, wie Erwachsene für ihre Kinder ein sicheres Umfeld schaffen können.

„Die Kurse haben mir gezeigt, wie wenig Eltern in der Vergangenheit über die Rechte von Kindern wussten“, reflektiert Lesbia. „Deshalb wurden diese Rechte auch häufig verletzt, und dieser Kreislauf setzte sich über Generationen hinweg fort. Aber wenn wir diese Muster erkennen, können wir versuchen sie zu durchbrechen.“

Der von Plan International initiierte Workshop öffnete ihr die Augen für die Realität der Gewalt gegen Frauen und Kinder, sowohl zu Hause als auch in der Gesellschaft. Vor allem durch den Austausch mit anderen Müttern hat Lesbia viel dazugelernt. „Jede Familie ist anders“, sagt sie. „Das Verständnis für diese Unterschiede hat uns geholfen, Bereiche zu identifizieren, in denen Verbesserungen möglich sind.“

Workshops klären über Gewalt auf 

Die Workshops sind Teil eines Plan-Projekts, das Kindesmissbrauch, Drogenkonsum und Alkoholismus eindämmen will. Ziel ist es, Eltern und ihre Kinder über Geschlechtergleichstellung, Inklusion sowie die Prävention und Bekämpfung von Gewalt gegen Kinder und Jugendliche aufzuklären. Insbesondere für Mädchen ist dies ein wichtiger Schritt, um geschlechtsspezifischer Gewalt und Kinderheirat vorzubeugen.

In Abstimmung mit den Gemeinden identifiziert die Kinderrechtsorganisation lokale Probleme und führt Initiativen ein, um diese anzugehen und sichere Umgebungen für Mädchen und Jungen zu schaffen. Mädchen ab sieben Jahren und junge Frauen werden außerdem in Selbstschutztechniken unterrichtet und für die Risiken von Gewalt und sexuellem Missbrauch sensibilisiert. Durch die Einbindung von Familien, lokalen Behörden und Gemeindegruppen trägt das Projekt dazu bei, dass widerstandsfähige und gewaltfreie Gemeinschaften entstehen.

Ein junges Mädchen im weißen Kleid steht mit verschränkten Armen unter von der Decke hängenden Blumen
Marely hat in einem Kinderworkshop erfahren, welche Rechte sie hat Plan International
Ein kleines Mädchen im weißen Kleid sitzt in einem Baumhaus
Marely spielt gerne draußen in ihrem Baumhaus Plan International

Kinder lernen, schädliches Verhalten zu erkennen und sich dagegen zu wehren

Mit dem Wissen der Workshops in der Tasche begann Lesbia, das Erlernte in ihre Familie weiterzutragen und im Alltag anzuwenden. Nun pflegt sie einen liebevolleren Umgang mit ihren Kindern, hat die Beziehung zu ihren eigenen Eltern gestärkt und spricht zuhause offen darüber, welche langfristigen Folgen Gewaltausübung haben kann. „Das hat unsere Lebensqualität wirklich verbessert“, betont sie.

Ihre achtjährige Tochter Marely, die an einem der Kinderworkshops teilgenommen hat, berichtet stolz: „Eines Tages in der Schule hat ein Junge meinen Cousin schlecht behandelt, also habe ich ihm gesagt, er solle das nicht tun.“ In den Schulungen haben sich Marely und ihre Mitschüler:innen vor allem mit dem Thema Mobbing befasst. Sie haben gelernt, Mobbing zu erkennen, sich dagegen zu wehren und ihre Lehrer:innen oder Eltern davon in Kenntnis zu setzen, wenn sie einen Vorfall mitbekommen. 

„Wir haben mehr Verständnis für unsere Kinder entwickelt, hören ihnen mehr zu. Das hat dazu beigetragen, die Gewalt in der Gemeinde zu reduzieren.“

Lesbia, Mutter von zwei Kindern in Honduras

„Wir haben gelernt, dass wir unsere Eltern und andere Kinder respektieren sollen“, ergänzt Marely. „Zum Beispiel sollen wir uns keine Spitznamen geben, uns nicht streiten und nicht miteinander kämpfen.“ Die Achtjährige findet es wichtig zu wissen, wie sich Kinder selbst schützen können. Aber mindestens genauso wichtig ist für sie eine zuverlässige Anlaufstelle, an die sie sich bei Problemen wenden kann. „Wenn ich Angst habe, kann ich mit meinen Eltern sprechen, und sie geben mir Ratschläge“, weiß sie.

Neue Wege, neue Herausforderungen

Marelys Selbstvertrauen ist durch die Kurse merklich gewachsen, und sie hat auch begonnen, ihr Wissen mit ihren Freund:innen zu teilen, die nicht an den Workshops teilgenommen haben. Mutter Lesbia sagt: „Marely war schon immer aufgeschlossen, aber jetzt ist sie besser informiert.“

Ein junges Mädchen streckt die Hand nach der Pfote eines vor ihr liegenden Hundes aus
Marely liebt es, mit ihrem Hund zu spielen Plan International

Dennoch sind längst nicht alle von den neuen Erziehungsmethoden überzeugt. Einige Familien halten nach wie vor an veralteten Vorstellungen fest. „So erzieht man Kinder nicht“ ist ein Satz, den Lesbia immer wieder hört. Aber sie ist fest überzeugt, dass ihr Weg der richtige ist – auch wenn sie das ständige Ankämpfen gegen festgefahrene Traditionen und Verhaltensmuster viel Kraft kostet. Was sie antreibt, ist der Wunsch, dass ihre Kinder gebildet, selbstbestimmt und in der Lage sind, ihre Rechte und Pflichten wahrzunehmen.

Eine Wirkung, die bleibt

Lesbia hofft, dass es in Zukunft mehr solcher Schulungen zu den Rechten von Kindern und Frauen gibt. So könne der Kreislauf der Gewalt frühzeitig erkannt und gebrochen werden. Auch Marely teilt die Hoffnungen ihrer Mutter. „Ich möchte mehr über die Rechte von Mädchen erfahren“, sagt sie. 

Und die Workshops zeigen Wirkung: die Mobbingvorfälle an Marelys Schule sind bereits zurückgegangen. Wie nachhaltig diese Wirkung sein kann, bringt Lesbia auf den Punkt: „Wenn wir als Mütter und Väter besser ausgebildet sind, werden unsere Kinder in Zukunft bessere Eltern sein.“ In Lempira nimmt diese Zukunft langsam Gestalt an – Familie um Familie.

Die Geschichte von Lesbia und ihrer Tochter Marely wurde mit Material aus dem honduranischen Plan-Büro erstellt.

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