
Gegen Mobbing, für Mädchenrechte
Schon als junges Mädchen engagiert sich Luz begeistert in ihrer Gemeinde in der Region Caaguazú in Paraguay. Ihr fällt auf, wie viele Mädchen aus ihrer Umgebung die Schule abbrechen, weil sie früh Mutter werden oder arbeiten müssen, um ihre Familien zu unterstützen. „Viele Mädchen können nicht zum Unterricht kommen, weil sie auf der Straße Kräuter verkaufen, um etwas zu essen nach Hause zu bringen“, erklärt sie. „Andere werden früh schwanger oder müssen sich um ihr Kind kümmern.“
Für Luz ein Zustand, den sie nicht einfach so hinnehmen will. Also beginnt sie, sich an ihrer Schule für Mädchenrechte stark zu machen. Doch das gefällt längst nicht allen ihrer Mitschüler:innen. Es beginnt ein steiniger Weg für die inzwischen 17-Jährige.

„Mobbing gibt es wirklich – ich habe es selbst erlebt und sehr darunter gelitten.“

Strukturelle Herausforderungen, soziale Ungerechtigkeiten
Die Region, in der Luz aufgewachsen ist, war früher von Forstwirtschaft und Holzverarbeitung geprägt. Wegen der weltweit steigenden Nachfrage nach Fleisch und Soja wurden aber große Waldflächen in Paraguay abgeholzt. Heute dominieren Landwirtschaft, Viehzucht, Handel und Dienstleistungen die Wirtschaft. Die Bevölkerung leidet zudem unter strukturellen Problemen wie Korruption und wachsender sozialer Ungleichheit.
Auch mangelnde Gleichberechtigung prägt das tägliche Leben. Trotz Fortschritten im Bildungs- und Rechtssystem werden viele Mädchen und junge Frauen in ihren Familien, Schulen und Gemeinden diskriminiert. Der Grund: tief in der Gesellschaft verwurzelte Rollenbilder. Dadurch können sich Mädchen nur selten frei entwickeln, übernehmen kaum Führungsrollen und lernen nicht, dass sie für sich und ihre Rechte einstehen dürfen.
Ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Ungleichheit
Luz gibt sich mit diesem Status quo aber nicht zufrieden – sie will Verantwortung übernehmen und Veränderungen bewirken. Also gründet sie ein Mädchenteam für die Schülervertretung und kandidiert für das Amt der Schulsprecherin.
Obwohl sie die nötige Unterstützung und die Mehrheit der Stimmen hat, verliert sie gegen einen Kandidaten, der nicht an weibliche Führung glaubt. Er hat die Wahl offenbar zu seinen Gunsten manipuliert. Mariela, die Mutter von Luz und selbst Lehrerin, ist wütend und traurig zugleich, dass ihrer Tochter dadurch die Chance genommen wird, die sie verdient hätte.
„Sie stellte ein starkes Team von engagierten Teenagerinnen zusammen, aber ihre Mitschülerinnen machten sich über sie lustig“, erinnert sich Mariela. „Auf den Fluren gab es ständig sexistische Kommentare. Sie sagten, Frauen seien nicht in der Lage, die Schülervertretung zu leiten.“ Für die Mutter ist dieses Verhalten kein Einzelfall – sondern ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Ungleichheit, die noch immer besteht.

„Wenn das meiner eigenen Tochter passiert, wie viele andere Mädchen leiden dann im Stillen?“
Mobbing als Ausdruck tief verwurzelter Ungerechtigkeiten
Die Beschimpfungen, die Luz wegen ihres Engagements ertragen muss, setzen ihr psychisch immer mehr zu. „Mobbing gibt es wirklich – ich habe es selbst erlebt und sehr darunter gelitten“, beschreibt die 17-Jährige ihre damalige Gefühlslage. „Ich fühlte mich machtlos und war oft traurig.“
Mobbing ist eine der häufigsten und schädlichsten Ausdrucksformen von Ungleichheit in der Schule. Oft gehen die Schikanen über Hänseleien oder Ausgrenzung hinaus; es kommt zu verbaler Aggression, Demütigung und psychischer Gewalt, von der Mädchen unverhältnismäßig stark betroffen sind. Gerade diejenigen, die traditionelle Normen in Frage stellen.

Mädchen in Paraguay trifft Mobbing vor allem, wenn sie versuchen, eine Führungsrolle zu übernehmen oder ihre Meinung zu äußern. Sie werden verspottet, kritisiert oder isoliert. Neben ihrer psychischen Gesundheit und ihrem Selbstwertgefühl leiden auch meist ihre schulischen Leistungen. Manche brechen die Schule sogar ganz ab.
Ein Weg zu mehr Selbstvertrauen
„Meine Tochter wurde zur Zielscheibe von ständigen Angriffen“, erklärt Mariela. „Täglich hat man sie schikaniert, ihr verächtliche Blicke zugeworfen und sie immer mehr isoliert. Es ging so weit, dass sie die Schule wechseln musste.“ Seit 17 Jahren ist Mariela Lehrerin – und 15 davon engagiert sie sich als ehrenamtliche Bildungshelferin. Sie weiß, dass Bildung viel mehr bedeutet, als Kindern Lesen und Schreiben beizubringen.
Von Luz erfährt sie aus erster Hand, wie Mobbing, Schulabbruch und Belästigung die Mädchen und Jugendlichen in ihrer Gemeinde belasten. „Als Mutter musste ich mit ansehen, wie meine Tochter langsam schwächer wurde und das Vertrauen in sich selbst verlor“, so Mariela. „Als Lehrerin fragte ich mich: Wenn das meiner eigenen Tochter passiert, wie viele andere Mädchen leiden dann im Stillen?“
Also sucht sie nach einem Weg, das Selbstvertrauen ihrer Tochter zu stärken. Sie ermutigt Luz, zusammen mit ihr an Workshops von Plan International teilzunehmen. Gemeinsam beginnen Mutter und Tochter die „Leadership School“ – die Schulungen für Führungsqualitäten. Dort lernen Mädchen und andere junge Menschen, wie sie ihr Selbstvertrauen aufbauen und ihre Meinung vertreten können.
Das Wissen, nicht allein zu sein
In den Workshops vertiefen die Teilnehmer:innen das Wissen über ihre Rechte, entwickeln Lebenspläne und überlegen, welche Zukunftsmöglichkeiten sie haben. Was Luz vor allem hilft, ist zu wissen, dass sie mit ihren Problemen nicht allein ist.

Dank der Unterstützung, die sie durch ihre Mutter, ihre Freundinnen und die Schulungen erfährt, gewinnt sie ihr Selbstvertrauen zurück und fängt wieder an, ihre Rechte zu verteidigen und andere zu inspirieren. Anlässlich einer Aktion zum Weltmädchentag schlüpft sie sogar für einen Tag in die Rolle der Ministerin für Beschäftigung, Arbeit und soziale Sicherheit.
Luz bekommt in den Workshops von Plan International zum ersten Mal seit langem wieder die Möglichkeit, sich frei zu äußern. Das hilft ihr, zu erkennen, dass ihre Stimme immer noch wichtig ist. „Ich sehe mich in der Zukunft als eine Frau, die Mädchen helfen wird, ihre Rechte kennenzulernen“, sagt Luz zuversichtlich. „Zusammen mit anderen Frauen will ich ein Land aufbauen, in dem es Gleichberechtigung für alle gibt.“
„An alle Mädchen, die an sich zweifeln: Gebt niemals auf, denn es wird immer jemand für euch da sein.“
Ein starker Appell an alle Mädchen
Auch für Mutter Mariela bringen die Workshops eine persönliche Veränderung. „Als Frau, als Lehrerin und als Mutter haben mir die Kurse sehr geholfen“, erzählt sie. „Ich habe das Gefühl, dass ich dazu beitragen kann, dass mehr Mädchen ihren Wert erkennen, und dass sie das Recht haben, zu träumen und gehört zu werden.“
Luz träumt davon, später einmal Architektin zu werden. Weil sie ihre Rechte kennt, ist sie auch fest davon überzeugt, dass sie das schaffen kann. Ihre Hoffnungen für ihr Heimatland schildert sie so: „Das Land meiner Träume ist ein Land ohne Gewalt gegen Mädchen und Frauen, ohne Mobbing, in dem der Staat für mehr Sicherheit auf den Straßen sorgt.“ An alle Mädchen in ihrem Land, die diskriminiert werden und an sich zweifeln, appelliert sie: „Gebt niemals auf, denn es wird immer jemand für euch da sein.“
Die Geschichte von Luz und ihrer Mutter wurde mit Material aus dem Plan-Büro in Paraguay erstellt.