
70 Kilometer bis zur Schule
Wenn Pheakdey morgens zur Insel-Schule in der Provinz Stung Treng fährt, beginnt ihre Reise mit fast 70 Kilometern Motorradfahrt über die holprigen Straßen Kambodschas. Danach folgt die Überfahrt über den Mekong – früher mit einem wackeligen Holzboot, dessen Motor bei Regen oft ausfiel. „Es war beängstigend, nicht zu wissen, wohin ich fuhr“, erinnert sich die 30-jährige Lehrerin.
Als sie vor 10 Jahren ihre erste Stelle antrat, war alleine der Schulweg schon eine Herausforderung. Im Klassenzimmer stieß sie dann aber auf eine weitere Hürde: Viele Kinder sprachen ausschließlich Laotisch. Khmer, die Amtssprache Kambodschas, verstanden sie kaum. „Ich habe drei Tage lang geweint“, sagt Pheakdey. Ohne gemeinsame Sprache war Unterricht kaum möglich, und das Lernen blieb oberflächlich.
Die Infrastruktur der Schule verschärfte die Probleme: Toiletten fehlten, Tiere liefen über den ungesicherten Hof, Überschwemmungen bedrohten regelmäßig Gebäude und Gelände. Viele Kinder blieben dem Unterricht fern. Pheakdey stand vor der doppelten Aufgabe, Unterricht zu organisieren und gleichzeitig Vertrauen in der Gemeinschaft aufzubauen.



Ein Projekt bringt Sicherheit
Eine Veränderung kam, als die Schule Teil des „Safe Schools“-Projekts wurde, initiiert mitunter von Plan International. Ziel dahinter ist es, Schulen in abgelegenen Regionen zu sicheren Lernorten zu machen und Gemeinden im Umgang mit Naturkatastrophen zu stärken. Für Pheakdeys Schule bedeutete das spürbare Veränderungen.
Ein Zaun und ein Tor schützen die Kinder nun vor Gefahren auf dem Schulgelände, während Latrinen, Handwaschbecken und ein Wassertank bessere Hygiene und Gesundheitsvorsorge versprechen. Warnschilder und Sicherheitsplakate machen auf mögliche Risiken aufmerksam, und im Unterricht lernen die Kinder, gefährliche Situationen zu erkennen, richtig zu reagieren und Verantwortung für ihr Umfeld zu übernehmen.
„Mit der Unterstützung des Projekts konnten wir das Tor und den Zaun bauen sowie die neuen Sicherheitsrichtlinien einführen“, berichtet Pheakdey.
Auch die Kinder sind aktiv daran beteiligt, ihre Schule zu einem sichereren und saubereren Ort zu machen: Sie sammeln Müll, achten auf Hygiene und übernehmen Verantwortung für ihre eigene Sicherheit.
Die Maßnahmen wirken sich auch auf die Einschulungszahlen aus – innerhalb weniger Jahre hat sich die Zahl der Schüler:innen von 50 auf über 100 verdoppelt. Eltern, die zuvor skeptisch waren, schicken ihre Mädchen und Jungen jetzt bewusst auf die Insel, weil sie wissen, dass die Schule ein sicherer Lernort ist.

„Ich habe die Kinder ermutigt, mehr Khmer zu sprechen. Heute verstehen sie den Unterricht besser.“
Bildung als Brücke
Mit den neuen Schüler:innen aus umliegenden Dörfern wuchs auch die sprachliche Vielfalt. Wieder standen viele Kinder ohne Khmer-Kenntnisse im Klassenzimmer. Pheakdey reagierte pragmatisch: Sie unterrichtete ab sofort zweisprachig – Khmer und Lao – und baute so Brücken zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen.
„Ich habe die Kinder ermutigt, mehr Khmer zu sprechen. Heute können sie sich mit anderen unterhalten und verstehen den Unterricht besser“, sagt sie. Sprache wird zur Schlüsselressource: Sie öffnet den Zugang zu Bildung, fördert die Integration innerhalb der Gemeinde und schafft Möglichkeiten über die Insel hinaus.

Sichere Schulen
Die Veränderungen betreffen nicht nur die Schule. Das „Safe Schools“-Projekt stärkt die gesamte Gemeinschaft. Eltern und Kinder beteiligen sich aktiv an Reinigungs- und Renovierungsarbeiten, was das Verantwortungsbewusstsein und Zusammengehörigkeitsgefühl fördert.
Besonders wichtig ist die Vorbereitung auf Naturkatastrophen. Kambodscha ist regelmäßig von Überschwemmungen, Stürmen und den Folgen des Klimawandels betroffen. Die Schüler:innen lernen, Risiken frühzeitig zu erkennen, und geben ihr Wissen an ihre Familien weiter. Auf diese Weise entsteht ein lokales Frühwarnsystem – lange bevor offizielle Stellen eingreifen können.



Das Projekt „Safe Schools“ ist Teil einer internationalen Initiative, die Bildung widerstandsfähiger macht. Es unterstützt das Sendai-Rahmenwerk für Katastrophenvorsorge und trägt zu den Zielen für nachhaltige Entwicklung bei. Seit 2016 wird es in mehreren Ländern umgesetzt, immer mit dem Ziel, dass sichere Schulen nicht nur Kinder schützen, sondern ganze Gemeinschaften stärken.
„Zum ersten Mal haben wir eine Schule, in der wir sicher sind und wirklich lernen können.“
Zehn Jahre Einsatz
Heute blickt Pheakdey auf ein Jahrzehnt Arbeit auf der Insel zurück – zunächst als Lehrerin, inzwischen als Schulleiterin. Was einst mit Tränen und Sprachbarrieren begann, ist heute eine funktionierende Schule mit wachsender Zahl an Schüler:innen.
Ihre Geschichte zeigt: Bildung und Sicherheit hängen eng zusammen. Ohne sichere Räume lernen Kinder kaum, und ohne Bildung kann eine Gemeinde nur schwer resilient werden. Wenn Schulen sicher sind, wächst das Vertrauen der Eltern, die Einschulungszahlen steigen, und die Gemeinschaft gewinnt an Stabilität.
Die Geschichte von Pheakdey wurde mit Material aus dem Plan-Büro in Kambodscha aufgeschrieben.
