Am Rande des Mülls

Foto: Plan International

Auf der größten Deponie von Paraguay herrschen unmenschliche Bedingungen. Vor allem Kinder müssen vor Gefahren und Umweltgiften geschützt werden.

Der Matsch liegt überall und wird mit jedem Schritt weitergetragen. Dass die Wege in Bañado Sur derart verschlammt sind, hat mit der Regenzeit und dem benachbarten Paraguay-Fluss zu tun. Und mit der Lebenssituation, die die Menschen in dieses Randgebiet der Hauptstadt Asunción getrieben hat.

Bañado Sur ist eine von drei informellen Siedlungen am Ufer des Paraguay-Flusses, dem größten Strom des südamerikanischen Landes. Zusammen mit den Vierteln Bañado Norte und La Chacarita leben dort rund 100.000 Menschen unter prekären Umständen. Denn die Bañados – das sind die Feuchtgebiete. „Sie heißen so, weil sie jedes Mal überflutet werden, wenn der Fluss steigt“, erzählt Sozialarbeiterin Soraya Bello. „Die meisten Menschen hier leben in Armut, viele in extremer Armut. Sie arbeiten unter unmenschlichen Bedingungen in der Abfallwirtschaft im Freien, auf der größten Mülldeponie von Paraguay.“

Große Pfützen blockieren einen sandigen Weg
Mit der Regenzeit verschlammen die Wege im Viertel Bañado Sur am Stadtrand von Asunción Plan International

„Viele Menschen leben hier in extremer Armut und arbeiten unter unmenschlichen Bedingungen.“

Soraya Bello, Sozialarbeiterin in Bañado Sur
Zwei Frauen stehen vor einem bunt bemalten Haus und sprechen miteinander
Sozialarbeiterin Soraya Bello (l.) führt Carmen Elena Áleman, Regionaldirektorin von Plan International, durch Bañado Sur Plan International
Ein Luftbild von einer Siedlung aus einfachen Häusern und Hütten
Blick auf das Viertel Bañado Sur am Rande der paraguayischen Hauptstadt Asunción Plan International

Cateura heißt die Mülldeponie, die sich seit 1984 nahe der gleichnamigen Lagune sowie in Sichtweite der aufstrebenden Metropole Asunción und dem stoisch fließendem Paraguay-Fluss ausdehnt. Täglich nimmt Cateura rund 1.500 Tonnen feste Abfälle auf – der Stoff, von dem hier ganze Familien überleben.

Überleben von den Resten der anderen

Viele Frauen verdienen ihren Lebensunterhalt als „Gancheras“, als informelle Recyclerinnen, die die Mülldeponie nach verwertbaren Dingen durchkämmen. Sie suchen nach Rohstoffen und sammeln Plastikflaschen, Metalle, Aluminiumdosen, Pappe, Papier und andere wiederverwertbare Materialien, die sie anschließend sortieren, reinigen und an Zwischenhändler oder Recyclingunternehmen verkaufen.

Über einem Berg von abgeladenem Abfall kreisen Vögel
Raubvögel kreisen über den Müllbergen von Cateura Plan International

Die Arbeit ist extrem gefährlich, da die „Gancheras“ giftigen Abfällen und scharfen Gegenständen sowie verborgenen Insekten und Krankheitserregern ausgesetzt sind. Außerdem kreuzen schwere Maschinen und Transporter die Wege der Arbeiterinnen, die außerhalb der Deponie zudem mit sozialer Stigmatisierung konfrontiert sind.

Trotz immenser Gesundheitsrisiken und körperlicher Gefahren arbeiten sie oft nachts, wenn die meisten Lastwagen aus der Hauptstadt ankommen. Und um Konflikte mit anderen Sammlerinnen zu vermeiden, gibt es Schichten. So läuft der Alltag an und auf den Müllbergen.

Blick auf einen sandigen Weg, an dem einfache Häuser aus Stein stehen
Sandweg im Viertel Bañado Sur Plan International
Luftbild einer Wellblechhütte, vor der Berge von Müll liegen
Die Arbeiterinnen sortieren gesammelte Fundstücke von der Mülldeponie nach Art und Material Plan International

Die Risiken der Mülldeponie strahlen auf ihre Umgebung ab. Die Kinder, die in ihrer Umgebung aufwachsen, sind täglich mit Armut, Umweltgefahren und eng begrenzter Teilhabe konfrontiert, weiß Sozialarbeiterin Soraya Bello, die auch Geschäftsführerin von Mil Solidarios ist, einer Organisation, die Entwicklungsprojekte in Bañado Sur durchführt.

Für eine würdige Kindheit am Rande der Gesellschaft

„Als ich die Gemeinde betrat, war ich tief bewegt: Vor mir lief ein Kind durch den Matsch und es hing ein penetranter Geruch in der Luft, der mich nicht mehr losließ – und ich dachte: Das ist die Umgebung, in der dieses Kind aufwächst, unter solch schwierigen Bedingungen“, sagt Carmen Elena Áleman, Regionaldirektorin von der Kinderrechtsorganisation Plan International, die hier für die Mädchen und Jungen Unterstützung organisiert. Das Projekt „Más derechos, mejor cuidado” („Mehr Rechte, bessere Betreuung“) arbeitet direkt mit den benachteiligten Gemeinschaften zusammen, um Systeme für den Kinderschutz zu stärken, die Gleichstellung zu fördern und den Zugang zu hochwertigen Betreuungsangeboten zu verbessern. In Bañado Sur befasst sich die Initiative mit den vielfältigen Risiken von Armut und begrenzten sozialen Dienstleistungen, denen die Kinder und Familien ausgesetzt sind.

Bunte gemalte Blumen an einer Hauswand
Mit bunten Motiven sind die Familienzentren von Bañado Sur geschmückt Plan International
Ein flaches Gebäude steht im Regen und Kinder laufen davor
Eine von 15 neu eingerichteten Betreuungs- und Familienstellen in Bañado Sur Plan International

„Dieses Projekt soll auch den Frauen, den informellen Müllsammlerinnen in Bañado Sur, bei der Kinderbetreuung helfen“, erklärt Soraya Bello, die bei der Umsetzung des Plan-Projekts vor Ort unterstützt. „Wir arbeiten mit 120 Frauen und ihren Familien zusammen. Außerdem werden wir weibliche Führungskräfte einbeziehen, damit sie Einfluss auf die öffentliche Politik nehmen können.“

Neue Betreuungsstellen und sichere Orte

Über 200 Eltern und Betreuungspersonen wurden in altersgerechter Erziehung und Förderung sowie Gewaltprävention geschult – mit dem Ziel, die Kinderarbeit auf der Mülldeponie zu reduzieren. Denn heute helfen bereits Sechsjährige beim Sortieren von Wertstoffen, anstatt zu lernen und zu spielen. Für sie gibt es jetzt Spielgruppen in insgesamt 15 neu eingerichteten Betreuungsstellen.

Eine Gruppe Frauen und Männer steht vor einem Gebäude
Sozialarbeiterinnen und Fachleute für Kinderschutz unterstützen die Familien von Bañado Sur in insgesamt 15 sicheren Beratungszentren Plan International

Diese „esquinas de cuidado“ sind sichere Orte, in denen in Kooperation mit lokalen Partnerorganisationen wie Mil Solidarios auch Ernährungsberatung, psychosoziale Betreuung und Vermittlung von Gesundheitsdiensten erfolgt.

Während einer der jährlichen Überschwemmungen haben diese Einrichtungen auch schon mal rund 150 Familien Schutz geboten. Außerdem wurden dort Notfallpakete mit Hygieneartikeln und haltbaren Nahrungsmitteln an sie verteilt. Finanzielle Unterstützung für diese Arbeit kommt von Global Affairs Canada. „Ich glaube, dass wir durch unsere Arbeit den Frauen und Kindern ein würdigeres Leben ermöglichen können“, zeigt sich Carmen Elena Áleman von Plan International überzeugt.

„Für uns Frauen ist es eine Gelegenheit, uns gegenseitig zu unterstützen.“

Liliana Giménez, Projektteilnehmerin

Diese Unterstützung kommt gut an bei den Menschen in den Bañados, insbesondere bei den informellen Müllsammlerinnen. Sie stehen unter extremem Druck, versuchen täglich, ihren Lebensunterhalt zu verdienen und für ihre Familien zu sorgen. „In den Zentren finde ich den Raum, den ich für den Austausch brauche“, sagt Projektteilnehmerin Liliana Giménez. „Für uns Frauen ist es eine Gelegenheit, uns gegenseitig zu unterstützen.“

Der Artikel wurde mit Material aus dem Plan-Büro in Paraguay erstellt.

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