
Zweite Chance fürs Einmaleins
„Bevor ich am Förderkurs teilnahm, hatte ich 4,88 von maximal zehn Punkten“, erinnert sich Kadidja an ihre unterdurchschnittlichen schulischen Leistungen. Die heute 13-Jährige hatte während ihrer Grundschulzeit Schwierigkeiten beim Lernen und fiel in Fächern wie Mathematik und Französisch immer weiter zurück. Nichts Ungewöhnliches für Mädchen in Niger, wo Geschlechternormen und kulturelle Praktiken oft dazu führen, dass ihr Leben unterbewertet wird.
Extreme Armut zwingt Familien in dem westafrikanischen Land zudem häufig dazu, ihre Töchter und Söhne für Arbeiten im Haushalt heranzuziehen. Niger ist einer der ärmsten Staaten der Welt. Laut dem Human Development Index (HDI) der Vereinten Nationen rangiert das Land auf Platz 188 von 193 (Deutschland: Platz 5).
Hinzu kommen in Niger insbesondere für Mädchen unsichere Wege. In den Schulen fehlen zudem Waschgelegenheiten und nach Geschlechtern getrennte Toiletten. Und dann stellt noch die mangelhafte Bildungsqualität in dem Land in der Sahelzone eine Herausforderung dar. Dies alles zwingt Mädchen oft dazu, die Schule vorzeitig abzubrechen.

Mädchen und Frauen kommen in Niger oft unterprivilegierte Rollen zu.

Eine Schülerin schließt mit Nachhilfeunterricht Bildungslücken
Das Projekt „Girl Engage – Mädchen Beteiligen“ von Plan International ändert dies und unterstützt ihren Zugang zu Bildung. Als förderungsbedürftig eingestuft, wurde auch Kadidja in einem der Nachhilfekurse eingeschrieben. In den flexibel organisierten Kursen erhielt sie Unterstützung in Kernfächern wie Mathematik sowie Lesen und Schreiben, um ihre schulischen Leistungen und ihr Selbstvertrauen zu verbessern.
Der Unterricht, der außerhalb der regulären Schulzeit stattfand, bot Kadidja einen sicheren Lernraum, in dem sie nach und nach ihren Rückstand aufholen konnte, ohne vor Lehrkräften oder der gesamten Klasse Rede und Antwort stehen zu müssen – und damit erfüllten sich für das Mädchen auch einige der Kinderrechte, etwa das auf Bildung.
Ganz ohne Fleiß wäre auch sie indes nicht auf den richtigen Weg zurückgekehrt. „Meine Noten haben sich von durchschnittlich 4,88 immer weiter verbessert. In der 6. Klasse legte ich schließlich meine Prüfung ab: Ich hatte 8,14 von zehn Punkten und war die Beste. Ich war so glücklich!“
Doch neben besseren schulischen Leistungen geht es in den Förderkursen auch um Themen wie sexuelle und reproduktive Gesundheit, Kinderheirat und frühe Mutterschaft. Auch und gerade Teenagerschwangerschaften sollen verhindert und Mädchen für die wirtschaftlichen Vorteile einer Ausbildung sensibilisiert werden. Und so war für Kadidja die Teilnahme an diesem Projekt eine Art Rettungsanker.
„In der 6. Klasse legte ich schließlich meine Prüfung ab: Ich war die Beste. Ich war so glücklich!“


Wissen weitergeben und die junge Generation unterstützen
Kadidja ist jetzt 13 Jahre alt und im ersten Jahr der Sekundarschule. In ihrem Dorf ist sie gar zu einem Vorbild geworden. „Seit meinem Erfolg kommen andere Kinder zu mir und bitten mich um Hilfe, und ich helfe ihnen gerne“, sagt die tüchtige Schülerin mit einem Lächeln.
„Mein Vater fragte mich: ,Sakina, willst du wieder zur Schule gehen?‘“
Unterstützung konnte zum Beispiel die 14-jährige Sakina dringend gebrauchen: „Als ich bei meiner ersten Prüfung in der Sekundarstufe mit nur drei von 20 Punkten abschnitt, dachte ich, dass es für mich vorbei sei. Ich war überzeugt, dass die Schule nichts für mich war, und habe aufgegeben.“
Doch nachdem Sakinas Vater im Rahmen des Projekts „Girl Engage“ an einem Training für Eltern teilgenommen hatte, sollte es anders kommen. „Mein Vater fragte mich: ,Sakina, willst du wieder zur Schule gehen?‘ Zuerst hatte ich Angst. Was, wenn ich wieder versagte? Aber er ermutigte mich, und ich versuchte es“, berichtet Sakina, die kurzerhand in eine Sonderklasse für beschleunigtes Lernen wechselte, um das Lernniveau aus dem regulären Unterricht zu erreichen. Und auch ihr Vater nahm sich immer wieder Zeit, um mit seiner Tochter Aufgaben durchzugehen und zu Hause zu lernen.

Jugendliche arbeiten für ihre beruflichen Perspektiven
Kadidjas Eltern können ihrerseits den Stolz über die Leistungen ihrer Tochter nicht fassen. „Als wir hörten, dass sie den ersten Platz bei den Prüfungen belegt hatte, waren wir überglücklich. Das ganze Dorf sprach über sie und fragte sich, wie ein Mädchen von hier so gut abschneiden konnte“, sagt Chaibou, Kadidjas Vater. „Wir hoffen, dass sie eines Tages eine führende Position im Land einnehmen wird.“
Durch das Projekt haben Kadidja und Sakina ihre zweite Chance auf einen Bildungserfolg in der Schule bekommen, als zwei von insgesamt 3.500 seit 2022 geförderten nigrischen Mädchen. Und sie haben – was beiden ebenfalls wichtig ist – im Unterricht Schutz vor Kinderheirat gefunden.
„Ich möchte, dass alle Mädchen die Chance haben, die ich hatte.“

Sakina, die jetzt wieder eine Regelschule besucht, träumt davon, eines Tages Krankenschwester zu werden. „In meinem Dorf gibt es keine. Die Frauen müssen weite Wege zurücklegen, um medizinische Hilfe zu bekommen. Ich möchte für sie da sein“, sagt die 14-Jährige und ergänzt. „Ich möchte, dass alle Mädchen die Chance haben, die ich hatte.“
Von ihrer Zukunft hat die 13-jährige Kadidja ebenfalls eine Vorstellung: „Mein Traum ist es, Lehrerin zu werden, um den Kindern in meinem Dorf zu helfen, erfolgreich zu sein und ein besseres Leben zu führen.“
Der Artikel wurde mit Material aus dem nigrischen Plan-Büro erstellt.