Neue Technik, neue Möglichkeiten

Foto: Plan International

Wenn Frauen Zugang zu hochwertiger Bildung haben, erlangen sie nicht nur wertvolles Wissen – sie stärken ganze Gemeinden. Eine junge Frau aus El Salvador macht es vor.

Eine der ersten Erinnerungen von Wendy ist der Duft von frisch gebackenem Brot. „Alle in meiner Familie backen. Wir haben eine Bäckerei, in der wir allerlei Arten Brot verkaufen – von Baguettes bis hin zu süßen Brötchen“, erzählt die Teenagerin aus El Salvador. Das jahrhundertealte Handwerk prägte schon früh ihr Leben, und ihre berufliche Zukunft schien ihr wie in die Wiege gelegt. Doch Wendy hatte andere Pläne.

Sie entschied sich für ein Studium der Betriebswirtschaftslehre, wollte das Familienunternehmen modernisieren und erweitern. Schon während ihres ersten Jahres an der Fachhochschule erkannte sie das ungenutzte Potenzial, das in ihrem Familienbetrieb schlummerte. Je mehr sie lernte, desto mehr Abläufe fielen ihr auf, die sie in der Bäckerei optimieren könnte.

Ein Mädchen mit Rucksack auf dem Schulweg
Wendy auf dem Weg zu ihrem College Plan International
Ein Mädchen ist über einen Tisch gebeugt und schraubt technische Bauteile zusammen
Wendy arbeitet konzentriert an ihrem neusten Projekt Plan International
Ein kleiner Roboter sowie einzelne Bauteile liegen auf einem Tisch
Die Robotik-Kurse begeistern die Schüler:innen und ermutigen sie, naturwissenschaftlich-technische Fächer als Karriereoption in Erwägung zu ziehen Plan International

Ein Plan-Projekt schafft neue Perspektiven

Dann trat Plan International im Rahmen des Projekts „Unstoppable Generation“ (unaufhaltsame Generation) an Wendys Hochschule heran und führte neue Module zu Robotik und STEAM-Fächern ein. STEAM ist ein Bildungsansatz, der die Fächer Wissenschaft, Technik, Maschinenbau, Kunst und Mathematik verbindet. Die Abkürzung setzt sich aus den englischen Anfangsbuchstaben dieser Fächer zusammen.

Das Plan-Projekt soll Jugendliche, insbesondere Mädchen, für eine Karriere in diesen STEAM-Bereichen begeistern. Dazu wurden Lehrkräfte darin geschult, ihre Schüler:innen von der frühen Kindheit bis zum Gymnasium und zur Fachhochschule beim eigenständigen Experimentieren mit Technologie und Robotik zu unterstützen.

Gegen traditionelle Geschlechterrollen 

Ein Robotikkurs aus diesen neuen Modulen interessierte Wendy besonders. Sie bewarb sich darauf und bekam kurze Zeit später auch einen Platz. „Die Auswahl für den Robotikkurs gab mir das Gefühl, geschätzt zu werden“, sagt sie. In den folgenden drei Monaten tauchte sie in eine Welt aus Wissenschaft und Technologie ein – was ihr ganz neue Horizonte eröffnete, die weit über Buchhaltung, Finanzierung und Logistik hinausreichten. Das erlernte Wissen weckte auch ihren Ehrgeiz, Teile der Familienbäckerei zu automatisieren, um die Effizienz zu steigern.

Mädchen hält ihren selbstgebauten kleinen Roboter in den Händen
Wendy zeigt stolz einen ihrer selbstgebauten Roboter Plan International

„Ich möchte Mädchen ermutigen, neugierig zu bleiben und ohne Angst zu lernen – glaubt nicht, dass nur Jungs in der Technik erfolgreich sein können.“

Wendy, hat in Robotikkursen neues Selbstvertrauen gewonnen

Wie auch in Deutschland sind jedoch in El Salvador diese naturwissenschaftlich-technischen Fachbereiche stark männerdominiert. Aus diesem Grund hatte Wendy anfänglich mit Selbstzweifeln zu kämpfen. „Meistens werden nur Jungs berücksichtigt, weil man glaubt, dass Mädchen das nicht können“, erzählt sie. „Aber wir können das auch und werden jetzt immer häufiger in solche Kurse einbezogen.“

In El Salvador gehen Frauen immer noch deutlich seltener einem Beruf nach als Männer. Obwohl über 52 Prozent der Bevölkerung des mittelamerikanischen Landes weiblich ist, lag ihr Anteil bei den Erwerbspersonen 2024 laut Daten der Weltbank nur bei knapp über 41 Prozent. Hauptgrund dafür ist die patriarchale Gesellschaftsstruktur in dem konservativen Land. Viele Mädchen dürfen die Schule nicht abschließen und müssen stattdessen im Haushalt helfen, die Erziehung der Geschwister mit übernehmen oder werden früh verheiratet. Entsprechend gering sind ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt.

Zwei Frauen sitzen an einem Tisch und sind über Schularbeiten gebeugt
Zuhause bekommt Wendy (li.) Unterstützung von ihrer Mutter Plan International
Mädchen steht im Klassenzimmer und erklärt etwas anhand einer ausgedruckten Präsentation
Wendy stellt eines ihrer Projekte der Klasse vor Plan International

Neues Wissen stärkt das Selbstvertrauen

Für Wendy war von Anfang an klar, dass sie mehr vom Leben wollte und alles dafür tun würde, um nicht in diese traditionelle Frauenrolle gedrängt zu werden. Sie blieb hartnäckig und ließ sich von ihren männlichen Mitstudenten nicht einschüchtern. Ihre Beharrlichkeit zahlte sich aus: Sie begann, ein Faible für Schaltkreise, Programmierung und Design zu entwickeln und verfeinerte mit jedem durchgeführten Experiment ihre Fähigkeiten. Je mehr sie verstand, desto besser konnte sie die Inhalte aus dem Kurs auf andere Fachbereiche anwenden. So erkannte sie zum Beispiel, dass sich Robotikkonzepte auch im Mathematikunterricht anwenden lassen.

Der Kurs leistete für Wendy aber noch viel mehr als das. Er half ihr dabei, ihre Teamfähigkeit und sozialen Kompetenzen weiterzuentwickeln. So fiel es ihr mit dem neu gewonnenen Selbstvertrauen leichter, Kontakte zu Klassenkamerad:innen zu knüpfen, ihre Meinung in Diskussionen zu vertreten und Präsentationen vor der Klasse zu halten. Am Ende des Kurses präsentierte sie sogar ihren voll funktionsfähigen Roboter auf einer Fachmesse – was sie besonders mit Stolz erfüllte.

Wendy hat gelernt, Stereotypen zu hinterfragen und ihr Potenzial auszuschöpfen. „Ich möchte Mädchen ermutigen, neugierig zu bleiben und ohne Angst zu lernen – glaubt nicht, dass nur Jungs in der Technik erfolgreich sein können”, sagt sie heute. Diese Botschaft ist umso wichtiger in einem Land, in dem Mädchen noch immer in ihrer Bildung und ihren Chancen benachteiligt werden. Dank ihrer Hartnäckigkeit, ihres Talents und der Unterstützung von Plan International kann Wendy nun ein Vorbild für andere in ihrer Gemeinde sein – und ihrer Familie zeigen, dass sich Tradition und Fortschritt manchmal auch sehr gut verbinden lassen.

Die Geschichte von Wendy wurde mit Material aus dem salvadorianischen Plan-Büro erstellt.

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Plan International arbeitet seit 1976 in El Salvador, insbesondere für und mit Mädchen und jungen Frauen. Besonders frühkindliche Förderung, sexuelle und reproduktive Gesundheit sowie die wirtschaftliche Stärkung von Jugendlichen stehen im Fokus der Arbeit vor Ort. Mit einer Patenschaft für ein Mädchen oder einen jungen verbessern Sie nicht nur die Lebenssituation einzelner Kinder – Sie helfen mit, ganze Gemeinden zu stärken!

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