Mädchen führen – und verändern die Welt
Als die 17-jährige Ramila aus Nepals Distrikt Sindhuli im Oktober 2025 die finnische Botschaft in Kathmandu betritt, bringt sie die Stimmen gehörloser Mädchen aus dem ganzen Land mit. Sie übernimmt an diesem Tag die Rolle von Petri Puhakka, dem Botschafter Finnlands in Nepal. Mit dieser symbolischen Geste machte Ramila deutlich: Mädchen mit Behinderungen können führen und gesellschaftliche Veränderungen bewirken, wenn sie die Möglichkeit dazu erhalten.
Ein Tag voller Begegnungen und Lernen
Ihr Tag als Botschafterin ist geprägt von Gesprächen und Begegnungen. Ramila trifft Mitarbeitende der Botschaft, Vertreter:innen der EU-Delegation in Nepal, von UN Women sowie der lokalen Nichtregierungsorganisation Loo Niva. Gemeinsam diskutieren sie über die Bedeutung inklusiver Jugendbeteiligung und wie Mädchen mit Behinderungen besser in politische Prozesse eingebunden werden können. „Während meiner Zeit als Botschafterin habe ich viel über Finnlands positive Beispiele in der Gesetzgebung gelernt, die die Rechte von Menschen mit Behinderungen schützen. Ich hoffe, dass Nepal bald von Finnland lernen und diese Beispiele übernehmen wird“, sagt Ramila über ihre Gebärdensprachdolmetscherin.
Neben den politischen Gesprächen lernt Ramila auch die finnische Kultur kennen. Sie ist überrascht, dass die berühmten Comicfiguren Mumins aus Finnland stammen, und freut sich über eine Mumin-Tasse, die ihr Botschafter Puhakka schenkt. Die Tradition der Sauna und die Leidenschaft der Menschen in Finnland, auch im tiefsten Winter Speiseeis zu essen, faszinieren sie. Bei einem Mittagessen in der Residenz des Botschafters, das europäische und asiatische Küche verbindet, berichtet sie von ihrem Alltag als gehörloses Mädchen in Nepal.
Herausforderungen als gehörloses Mädchen
Ramila wurde hörend geboren, verlor jedoch bis zum Alter von drei Jahren nach und nach ihr Gehör. Die Gesundheitseinrichtungen in ihrem Dorf waren damals nicht ausreichend ausgestattet, um ihr zu helfen. Heute besucht sie eine Schule für gehörlose Kinder in Sindhuli, die Schüler:innen aus 55 Distrikten Nepals aufnimmt. Viele von ihnen leben zehn Monate im Jahr im Internat, weit entfernt von ihren Familien.
Die nepalesische Gebärdensprache umfasst derzeit nur rund 5.000 Wörter, und viele Lehrkräfte sind keine ausgebildeten Dolmetscher:innen. Das erschwert den Schulalltag und den Zugang zu öffentlichen Einrichtungen erheblich. Ramila fordert daher, dass überall Gebärdensprachdolmetscher:innen verfügbar sein sollten und dass die Regierung die nötigen Mittel bereitstellt. „Wenn überall Dolmetscher:innen verfügbar wären, würden wir uns nicht so unsichtbar fühlen“, erklärt sie.
„Ramilas Führung zeigt uns, wie entscheidend es ist, Programme inklusiv zu gestalten und Mädchen wie sie einzubeziehen.“
Ramila kämpft für eine inklusive Zukunft
Ramila träumt von Schulen, in denen Bildung für alle zugänglich ist. „In meinem Dorf gibt es keine inklusiven Schulen. Ich muss weit weg von zu Hause leben, um lernen zu können“, erzählt sie. Ihr Engagement endet nicht mit dem Schulbesuch. Sie war bereits Präsidentin des Kinderclubs und Schulsprecherin, führte ihre Mitschüler:innen mit Selbstbewusstsein und nahm kürzlich an einem Training von Plan International zu künstlicher Intelligenz und digitaler Content-Erstellung teil. Dort lernte sie, digitale Werkzeuge für Gleichberechtigung und Inklusion einzusetzen und wirkte am Girls’ Manifesto mit, das politische Forderungen von Mädchen in Nepal formuliert.
Botschafter Petri Puhakka betont, wie wichtig Ramilas Engagement ist: „Ramilas Führung zeigt uns, wie entscheidend es ist, Programme inklusiv zu gestalten, Ressourcen bereitzustellen und Mädchen wie sie einzubeziehen.“
Ramila beweist, dass Mädchen, unabhängig von Fähigkeiten, Herkunft oder Sprache, von Entscheidungsträger:innen gehört und einbezogen werden sollten. Mit einem strahlenden Lächeln in Gebärdensprache sagt sie: „Wenn Mädchen führen, verändert sich die Welt.“
Ramilas Geschichte wurde mit Material aus dem Plan-Büro in Nepal erstellt.