Schwerpunkte bei den Covid-19-Hilfsmaßnahmen

Foto: Ulises Alvarado

Die Corona-Pandemie bleibt auch 2021 ursächlich für eine globale humanitäre und wirtschaftliche Krise. Sie hat Auswirkungen auf das Leben aller Menschen – am stärksten das der Mädchen und Frauen, vor allem in Krisenregionen. Bei unseren Hilfsmaßnahmen setzen wir entsprechende Schwerpunkte.

In vielen Bereichen sind Frauen weltweit einem höheren Risiko ausgesetzt, sich mit Covid-19 zu infizieren – zum Beispiel im Pflegebereich und Gesundheitswesen, wo überdurchschnittlich viele von ihnen tätig sind. Zugleich verstärken sich während Krisensituationen bestehende Probleme und Ungleichheiten. Mädchen und junge Frauen sind vor allem von den langfristigen, sekundären Folgen der Pandemie betroffen, welche zumeist entscheidend sind, was ihre Möglichkeiten von Teilhabe und Partizipation angehen.

Die Erfahrungen aus der Ebola-Epidemie in Westafrika in den Jahren 2014 bis 2016 wie auch aus der Corona-Pandemie legen nahe, dass die augenblickliche Krise erhebliche soziale und wirtschaftliche Auswirkungen auf das Leben von Mädchen und Frauen haben wird. Sie sind einem erhöhten Risiko ausgesetzt, sexualisierte Gewalt zu erleben, gegen ihren Willen oder minderjährig verheiratet zu werden, zu früh Kinder zu bekommen, die Schule verlassen zu müssen.

Während der Ebola-Krise gab es zum Beispiel in stark betroffenen Gebieten in Sierra Leone einen Anstieg bei den Kinderehen um 65 Prozent. Dadurch wird die Chance auf ein selbstbestimmtes Leben minimiert – mehr noch als vor der Pandemie. Wir von Plan International berücksichtigen deshalb bei der Umsetzung unserer Covid-19 Schutz- und Hilfsmaßnahmen die geschlechtsspezifischen Bedürfnisse von Mädchen und Frauen in besonderem Maße.

Arzt misst Fieber Temperatur von Mädchen
Besonders Mädchen in Krisenregionen sind von den Auswirkungen der Corona-Pandemie betroffen. Foto: Plan International

Direkte und indirekte Hygienemaßnahmen

Im Rahmen unserer länderübergreifenden Programme setzen wir auf geschlechtersensible und -spezifische Maßnahmen, um diesen Bedürfnissen gerecht zu werden. Ein Schwerpunkt liegt auf Hygiene und Infektionskontrolle: Die Beschaffung und Verteilung sogenannter „Dignity Kits“, die neben Seife, Handschuhen oder Zahnbürsten Menstruationsprodukte enthalten, hilft Menschen in den einkommensschwächsten Ländern, während der Ausgangsbeschränkungen ein Mindestmaß an Hygiene einhalten zu können und die Ansteckungsgefahr zu verringern.

Die Plan-Teams unterstützen Mädchen und Frauen dabei, ihr Recht auf reproduktive und sexuelle Gesundheit und Selbstbestimmung wahrnehmen zu können. Diesbezüglich stärken wir Gesundheitsdienste und statten sie aus, um besser auf die Bedürfnisse heranwachsender Mädchen und junger Frauen einzugehen. Mit kurbel- und solarbetriebenen Radios sowie über soziale Netzwerke – sofern vorhanden – unterstützen wir den Zugang zu Informationen und Aufklärungsbotschaften. Parallel fördern wir den Bau pedalbetriebener, kontaktloser Handwaschstationen für Gesundheitszentren, Schulen, Verteilstellen und/oder Kinderschutzzonen in unseren Partnergemeinden. Neben den Baumaterialien stellt Plan International Seife zur Verfügung, sodass sich auch einzelne Haushalte kostengünstig selbst diese sogenannten „Tippy Taps“ bauen und Ansteckungen vermeiden können.

Gesundheitsmitarbeiter:innen in den Projektgebieten erhalten eine Schutzausrüstung, zu der neben Seife auch Desinfektionsmittel, Masken und Handschuhe gehören. Schulungsmaßnahmen für Mitglieder von Gemeindekomitees und lokalen Partnerorganisationen zur Prävention einer Übertragung und zum Umgang mit Covid-19 gehören ebenfalls dazu.

Mädchen wäscht sich die Hände an Handwaschstation
Souleymane Drabo
Mädchen wäscht sich die Hände an Handwaschstation
Larissa (13) wäscht sich die Hände an einem "Tippy Tap" Tamani Films

Durch Kontaktbeschränkungen sind Instrumente, die Mädchen und Frauen unter normalen Umständen dabei helfen, ihre Rechte einzufordern, sich gegenseitig zu stärken oder in einer Notlage Hilfe zu holen, derzeit kaum verfügbar. Beispielsweise können sie in vielen Regionen weiterhin keine Kinder- und Jugendclubs sowie Müttertreffen, Spargruppen oder ähnliche Zusammenkünfte besuchen. Unter den gegebenen Umständen ist es derzeit ebenfalls kaum möglich, Forderungen an politisch Verantwortliche zu adressieren. Veranstaltungen, Kundgebungen und Demonstrationen finden nicht oder kaum noch statt. Das wäre aber wichtig, denn die Aufmerksamkeit in der Gesellschaft, bei Politik und Verwaltung für Themen außerhalb der Corona-Krise ist ebenso zurückgegangen wie die Bereitschaft von Verantwortlichen, sich für etwas anderes einzusetzen. So können die Folgen der Corona-Pandemie für Mädchen und Frauen nur schwer sichtbar gemacht werden – eine Herausforderung, der wir mit Lobby- und lokaler Netzwerkarbeit begegnen.

Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt

In Krisenzeiten nehmen alle Formen geschlechtsspezifischer Gewalt zu, insbesondere im häuslichen Umfeld. Soziale Isolation kann zwar vor einer Corona-Infektion schützen, aber auch dazu führen, dass Mädchen und Frauen verstärkt unter Übergriffen innerhalb ihrer Familien leiden. Ein Ende solcher Zustände wird durch die Corona-Pandemie erschwert oder gar verhindert. Denn dazu müssen die Betroffenen Außenstehende auf ihre Situation aufmerksam machen können – zum Beispiel in der Schule, bei Besuchen von Freund:innen, im Kontakt mit Sozialarbeiter:innen oder bei Freizeitaktivitäten von Jugendclubs. Die Chancen dafür sind aber aufgrund der Kontaktbeschränkungen stark reduziert. Gerade aus Lateinamerika, wo häusliche Gewalt auch vor der Corona-Pandemie ein gravierendes Problem war, kommen im Lockdown alarmierende Zahlen, beispielsweise ein Anstieg der Hilferufe über Hotlines.

„Ich wusste nicht, wem ich davon erzählen sollte. Deswegen habe ich es für mich behalten“

Monika (14)
Patenkind aus Lembata, über einen sexuellen Übergriff
Monika (14)

Mit Aufklärungsbotschaften, die – wo möglich – über Mitarbeiter:innen und Freiwillige, aber auch Facebook, Radiosendungen oder Poster transportiert werden, macht Plan International in seinen Projektgemeinden auf die Risiken von sexualisierter und geschlechter-bezogener Gewalt für Kinder – vor allem Mädchen und junge Frauen – aufmerksam. Mitglieder von Gemeindekomitees werden für diesbezügliche Risiken sensibilisiert, Beratungsangebote zu häuslicher und/oder sexualisierter Gewalt sowie Kinderschutz eingerichtet und ausgebaut. Dazu gehören beispielsweise Hotlines oder auch Vertrauenspersonen in den Gemeinden, die entsprechende Fälle aufnehmen und weiterleiten.

Einkommen sichern, Not verhindern

In Zeiten wirtschaftlicher Not steigt die Gefahr von Ausbeutung und Missbrauch, auch durch Prostitution oder Zwangsarbeit. Risikogruppen bieten wir bedingungslose Hilfeleistung in Form von Geldleistungen oder Gutscheinen, die eine Versorgung mit Nahrungsmitteln und anderen Dingen des täglichen Bedarfs sicherstellen. Zusätzlich versorgen die Plan-Teams Haushalte mit Kindern unter fünf Jahren mit Lebensmittelrationen, um zu ihrer Ernährungssicherheit beizutragen und Zwangssituationen der Erziehungsberechtigten zu verhindern.

Während der Corona-Pandemie fällt für viele Frauen in der Gastronomie beziehungsweise im Dienstleistungsbereich das Einkommen weg. Durch kreative, kurzzeitige Alternativeinkommen („short term income opportunities“) – etwa bei der Produktion von Monatsbinden und Hygieneartikeln – verbessern wir nicht nur ihre finanzielle Situation, sondern beseitigen auch Lieferengpässe und Zugangsprobleme zu Produkten, die durch die Pandemie knapp und teuer geworden sind. Haben Familien ein gesichertes Einkommen, kann auch die Frühverheiratung von Mädchen verhindert werden, auf die Eltern aufgrund wirtschaftlicher Not oftmals dringen.

Bei allen Maßnahmen konsultieren wir die Mädchen und Frauen, um ihre Perspektive bei einer Umsetzung einfließen zu lassen. Nur so kann sichergestellt werden, dass bestehende Probleme und Hindernisse nachhaltig abgebaut werden können und sich die Maßnahmen an ihren Bedürfnissen orientieren.

Plan-Mitarbeitende informieren Haushalte über Corona
Fran Alfonso
Familien erhalten Gutscheine für Essen
Besonders bedürftige Familien bekommen Gutscheine – wie hier in der Dominikanischen Republik. Fran Alfonso

Koordinierter Ansatz

Um zu gewährleisten, dass unsere laufenden Projekte weitergeführt werden, verknüpfen wir Hilfsmaßnahmen bei der Covid-19-Bekämpfung mit bestehenden Strukturen. Dazu gehören vor allem programmatische Ergänzungen in Ländern, in denen Plan International bereits in der humanitären Hilfe tätig ist.

In der Region um den Tschadsee im westlichen Afrika wird beispielsweise die Arbeit mit Opfern von geschlechterbasierter Gewalt durch terroristische Milizen wie Boko Haram mit Maßnahmen gegen die häusliche Gewalt ausgeweitet. Zu unseren Partnern gehören neben nationalen Behörden auch lokale Organisationen wie Frauen- und Jugendgruppen oder Gemeindekomitees.

Als langjähriger Akteur hat Plan International den Vorteil, bei den Covid-19-Maßnahmen auf ein großes Netz an bereits vorhandenen Strukturen in den Programmländern zurückgreifen zu können. Das Vertrauen bei der Bevölkerung und die zum Teil jahrzehntelangen Kooperationen in den Gemeinden helfen zudem dabei, diese Maßnahmen bedarfsgerecht zu planen und effektiv umzusetzen.

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