Kinderheirat und frühe Schwangerschaften sind in Simbabwe weit verbreitet. Unser aktuelles Projekt „Mädchen vor Kinderheirat schützen“ geht mit Aufklärung dagegen an und ermöglicht Mädchen und jungen Frauen den Zugang zu Bildung und Arbeit − und damit die Chance auf ein selbstbestimmtes Leben.
„Wir sind Mädchen, keine Bräute!“, „Gebt uns Bildung, keine Ehemänner!“, „Mädchen haben auch Rechte!“ – das sind nur einige der Sprüche, die Schüler:innen in unserer Projektregion in Simbabwe in die Höhe halten. Gemeinsam setzen sie ein Zeichen gegen Kinderheirat, die so vielen Mädchen ihre Perspektiven raubt. So zunächst auch Nokutenda. „Ich war 17, als ich heiratete und schwanger wurde“, erzählt die heute 18-Jährige. „Damals war ich überzeugt, dass ich nie wieder zur Schule gehen werde.“ Nokutenda lebt in der ländlichen Region Zhombe im Distrikt Kwekwe in Simbabwe. Als sie ungewollt schwanger wird, bricht sie die Schule ab. So wie ihr geht es zahlreichen Mädchen in dem afrikanischen Binnenland. Besonders in den ländlichen Regionen werden viele von ihnen verheiratet, bevor sie volljährig sind. Auch sexuelle Gewalt ist ein Problem. Davon berichtet auch die 17-jährige Chengetai, die von ihrem Freund vergewaltigt wurde. „Ich begann ihn zu treffen, als ich 16 war. Er war schon 25“, erzählt sie. „Eines Tages vergewaltigte er mich. Ich wurde schwanger. Danach hat er jede Verantwortung von sich gewiesen. Meine Eltern brauchten eine Weile, um meine Situation zu akzeptieren. Sie warfen mich sogar raus. Doch dann nahmen sie mich zum Glück wieder bei sich auf und halfen mir vor und nach der Geburt meines Babys.“
„Viele Mädchen sind nicht in der Lage, ihren Schulabschluss zu machen, nachdem sie schwanger werden. Und wir haben jedes Jahr neue Teenagermütter. Es ist sehr schwer."
- Masceline Sayi, Lehrerin
„Wir haben momentan fünf Teenagermütter“, berichtet Masceline Sayi. Sie ist Lehrerin an der Schule, auf die Nokutenda und Chengetai heute wieder gehen. Kinderheirat und damit einhergehende frühe Schwangerschaften sind ein verbreitetes Problem in vielen afrikanischen Ländern, besonders in Simbabwe. Armut, traditionelle Normen und fehlendes Bewusstsein für die negativen Folgen führen dazu, dass in vielen ländlichen Regionen mehr als 40 Prozent der Mädchen unter 18 Jahren bereits verheiratet sind, in einigen Gegenden sind es sogar mehr als 60 Prozent. Viele von ihnen kümmern sich nach der Heirat nur noch um ihre Familien und den Haushalt. Sie haben keine Chance, dem Kreislauf aus Abhängigkeit und Armut zu entkommen. „Kinderheirat und Teenager- schwangerschaften zu verhindern ist ein Schlüsselelement, um das Leben von Mädchen und jungen Frauen zu verbessern“, erklärt Peter van Dommelen, Länderdirektor von Plan International Simbabwe. „Es ist deshalb einer unserer Arbeitsschwerpunkte hier im Land. Dabei gehen wir das Problem aus unterschiedlichen Blickwinkeln an. Denn es gibt kein Patentrezept dagegen, nicht die eine Lösung – und es braucht Zeit.“
Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Einbeziehung von Eltern, Großeltern, Lehrer:innen und anderen Gemeindemitgliedern, insbesondere lokaler Autoritäten wie Dorf- oder Kirchenvorsteher:innen. „Es ist entscheidend, alle von Beginn an mitzunehmen. Wir müssen erklären, was wir tun und warum wir es tun. Denn nur, wenn ein Bewusstsein für das Problem entsteht und alle an einem Strang ziehen, können wir Erfolg haben und einen Wandel bewirken, der langfristig bestehen bleibt. Wir nennen das in der Entwicklungszusammenarbeit auch ‚Ownership‘. Wir können die Veränderung nicht von außen schaffen, sie muss aus den Strukturen und Menschen vor Ort kommen“, erklärt Peter van Dommelen.
Ein wichtiger Schritt im Kampf gegen Kinderheirat
Ein großer Erfolg auf nationaler Ebene war im letzten Jahr die Verabschiedung eines Gesetzes gegen Kinderheirat, auf das Plan International und andere Organisationen über Jahre hinweg hingewirkt haben. „Es war harte Arbeit und wir sind sehr stolz auf diesen Erfolg“, sagt Peter van Dommelen. „Doch wird es Kinderheirat in Simbabwe beenden? Es ist nur ein Teil eines großen Puzzles. Unsere Arbeit geht weiter.“ Ein Vorteil sei dabei, dass Plan International in vielen Regionen Simbabwes bereits seit rund 15 Jahren tätig ist. Dadurch kennen viele lokale Entscheidungsträger:innen die Organisation. Man vertraut sich und arbeitet zusammen. Und viele haben bereits die negativen Folgen von Kinderheirat erkannt und sich dem Kampf dagegen angeschlossen.
„Ich war vor Kurzem in der Provinz Manicaland, wo ein weiteres Projekt gegen Kinderheirat umgesetzt wird, das von der Stiftung gefördert wird und kurz vor dem Abschluss steht“, möchte Peter van Dommelen noch ergänzen. „Hier traf ich eine Gruppe junger Frauen, die Kinderheirat überlebt haben. Wir sprechen in diesem Kontext von ‚Survivors‘ (= Überlebenden). Im Rahmen beruflicher Schulungen haben sie gelernt, Körbe zu flechten, sie auf lokalen Märkten zu verkaufen und so ihr eigenes Einkommen zu verdienen – übrigens eine Maßnahme, die auch im aktuellen Projekt in Kwekwe umgesetzt wird. Es war wahnsinnig beeindruckend, zu sehen, wie stolz und selbstsicher sie auftraten. An ihnen sieht man, was unser Engagement bewirkt. Sie haben wieder Optionen und ihr Leben noch vor sich – und sie werden sich dafür einsetzen, dass auch ihre Töchter diese Chancen bekommen.“