Die 30-jährige Delwara ging früher von Tür zu Tür und bat um Geld oder Essen. Betteln war die einzige Möglichkeit für sie, zu überleben. Heute geht sie wieder von Tür zu Tür – als Unternehmerin, die mit Kleidung handelt.
Als Delwara 16 Jahre alt war, wurde sie verheiratet und bekam auch bald Kinder, zwei Töchter und zwei Söhne. Ihr Mann und sie mussten in mehreren Jobs arbeiten, um die Familie zu ernähren: Sie bauten in ihrem Garten in Cox’s Bazar Gemüse an, das sie verkauften, und Delwara half anderen Familien bei der Hausarbeit. Dieses Modell fiel plötzlich in sich zusammen, als ihr Mann vor drei Jahren gelähmt wurde. „Wir waren völlig ratlos. Wir hatten keine Ahnung, wie wir überleben sollten“, berichtet die vierfache Mutter. „Ich begann zu betteln. Das war die einzige Möglichkeit, die mir blieb.“
Bei ihren Rundgängen kam Delwara mit einem lokalen Partner von Plan International Bangladesch in Kontakt. Sie wurde eingeladen, an einem Plan-Projekt teilzunehmen, in dem junge Menschen in Cox’s Bazar zusammenkommen und gemeinsam gesellschaftliche Probleme anpacken.
Im Rahmen des Projektes lernte Delwara auch, ein kleines Unternehmen zu gründen und zu führen. Nach Abschluss des Kurses erhielt sie ein Startkapital von 17.000 Taka (150 Euro), welches sie direkt investierte, um ihr Bekleidungsgeschäft zu starten. „Ich ging zum Großmarkt, suchte ein paar Kleidungsstücke aus und begann mit dem Handel in meinem Ort. Zunächst war die Resonanz nicht besonders groß. Aber ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben und bald stiegen meine Verkaufszahlen“, berichtet die frischgebackene Unternehmerin.
„ich muss niemanden mehr um Geld bitten. Ich verdiene jetzt genug, um meine Familie zu ernähren.“
„Die Arbeit ist nicht leicht und ich muss länger draußen bleiben. Aber ich muss niemanden mehr um Geld bitten. Ich verdiene jetzt genug, um meine Familie zu ernähren“, erzählt Delwara. Sie blickt nun hoffnungsvoll in ihre Zukunft und plant, ihre Kinder zur Schule zu schicken, jetzt, wo sie finanziell unabhängig ist.
Eine zweite erfolgreiche Absolventin des Projekts ist Mahmuda. Auch sie heiratete bereits im Alter von 16 Jahren und wurde Mutter von zwei Kindern. Ihr Mann war der Einzige in der Familie, der Geld verdiente, in Form von Tagelohnarbeit. Finanzielle Unsicherheit war ein ständiger Begleiter ihres Lebens, da das Paar zusätzlich zu ihren Kindern auch für das Wohlergehen der Schwiegereltern verantwortlich war.
Mahmuda hat sich immer gewünscht, selbst etwas auf die Beine zu stellen und damit Geld für ihre Familie zu verdienen. 2021 nahm das Vorhaben dann konkrete Gestalt an, als sie durch einen lokalen Partner von Plan International von dem Projekt erfuhr. Sie wurde Teilnehmerin und erhielt eine Schulung in Tierzucht und Gemüseanbau.
„Ich begann daran zu glauben, dass ich etwas tun kann. Später wurde ich gefragt, ob ich bereit sei, ein Unternehmen zu gründen“, sagte Mahmuda. „Da ich bei meinen Schwiegereltern lebe und mich um die Familie kümmere, war es für mich nicht möglich, außerhalb meines Hauses ein Geschäft zu betreiben. Also beschloss ich, in meinem Garten Kühe zu halten.“
Mahmuda spart schon seit langem Geld. Darüber hinaus erhielt sie von Plan International Bangladesch finanzielle Unterstützung, um ein Unternehmen zu gründen. „Ich kaufte eine Kuh von einem meiner Verwandten. 20 Tage später brachte die Kuh ein Kalb zur Welt. Jetzt verkaufe ich die Milch der Kuh und habe bisher 12.000 Taka (100 Euro, Anm. d. Red.) verdient“, sagte Mahmuda.
Durch die Ausbildung und die finanzielle Starthilfe hat die junge Frau die Werkzeuge in die Hand bekommen, um ihren Traum von der Selbstständigkeit zu verwirklichen. Jetzt, wo ihre Familie besser versorgt ist, plant sie, ein größeres Haus zu bauen und ihren Kindern die besten Bildungschancen zu ermöglichen.
Wie Mahmuda hat auch Parvin durch das Plan-Projekt eine Ausbildung in der Tierzucht erhalten. Sie ist die älteste Tochter einer siebenköpfigen Familie und musste nach der zweiten Klasse die Schule abbrechen, weil das Geld nicht mehr reichte.
In Parvins Gemeinde herrscht immer noch der Glaube vor, dass junge Frauen nicht in der Lage sind, finanzielle Verantwortung zu übernehmen. Deshalb wird auch in ihre Bildung weniger investiert. „Ich wollte immer meine Familie unterstützen und etwas tun, damit sich unsere Lage verbessert. Aber ich hatte keine Ahnung, wie ich das anstellen sollte“, sagte Parvin.
Das änderte sich, als auch sie 2021 im Rahmen des Plan-Projektes geschult wurde. „Ich wurde gefragt, ob ich ein bestimmtes Unternehmen gründen möchte“, erinnert sich die junge Frau. „Mein Onkel hatte in der Nähe unseres Hauses eine Geflügelfarm, also bot sich die Landwirtschaft für mich an. Als mein Onkel das Land verließ und ins Ausland auswanderte, wollte er, dass ich diese Fläche weiter nutze“, so Parvin.
„Sobald ich die finanzielle Unterstützung des Projekts erhalten hatte, zögerte ich nicht länger und startete meine eigene Farm auf dem Land“, fügt sie hinzu. Heute besitzt Parvin etwa 100 Hühner in ihrem Betrieb. Sie hat es bereits geschafft, Teile von ihrem Einkommen zu sparen, was früher unvorstellbar war, weil das Geld immer für lebensnotwendige Ausgaben benötigt wurde.
Parvin hat das Leben ihrer Familie verändert. „Ich bin so glücklich, dass ich meine Geschwister zur Schule schicken kann. Das ist wie ein Traum für mich. Ich habe viel gelitten, weil ich keinen Schulabschluss machen konnte. Ich möchte nicht, dass es meinen Geschwistern auch so ergeht“, schließt Parvin.
„Ich bin so glücklich, dass ich meine Geschwister zur Schule schicken kann.“
Sie hat im Rahmen dieses Projekts auch Lesen und Schreiben gelernt. Es hilft ihr, die Finanzverwaltung ihres Betriebs zu verstehen. Parvin durchbrach das Klischee der finanziell unfähigen Frau. Als älteste Tochter verdient sie nun den Lebensunterhalt für ihre Familie. Während sie neben ihrer Geflügelfarm einen grünen Garten anlegt, freut sie sich über den Neuanfang in ihrem Leben.
Das vom Bundesentwicklungsministerium (BMZ) finanzierte Projekt „Youth from Host Communities and Rohingya Camps in Cox’s Bazar as Agents of Change” (Jugendliche aus Aufnahmegemeinschaften und Rohingya-Lagern in Cox's Bazar als Akteure des Wandels) bietet den Jugendlichen der Gegend die Chance, zusammen zu lernen, über gesellschaftliche Probleme nachzudenken und Lösungen umzusetzen. Ein Projektbestandteil liegt in der wirtschaftlichen Stärkung der Jugend. Sie erhalten Ausbildungsmöglichkeiten und Startkapital, um eigene Kleinunternehmen zu gründen und finanziell unabhängig zu werden. Für Delwara, Mahmuda, Parvin und viele andere Mädchen und junge Frauen stiftet das Projekt Hoffnung. Wo ihre Möglichkeiten zuvor durch Geschlechterrollen und Vorurteile begrenzt war, haben die Maßnahmen den ersten Stein eines Fundaments für wirtschaftliche Gleichberechtigung gelegt – und davon profitiert die ganze Gemeinschaft.
Dieser Beitrag wurde mit Material aus dem bangladeschischen Plan Büro erstellt.