Früh übt sich: Geschlechtergerechtigkeit im Kindergarten stärken

Foto: Mushfiqul Alam

In Bangladesch setzt sich eine Erzieherin in der frühkindlichen Bildung gegen Ungleichheit und schädliche Geschlechternormen ein. So ermöglicht sie Mädchen und Jungen die gleichen Chancen auf Bildung und ein besseres Leben.

Jamila wollte schon immer Lehrerin werden. „Ich bin immer gerne zur Schule gegangen und habe viel gelernt. Unsere Lehrer:innen waren sehr gut. Wenn wir etwas nicht verstanden haben, haben sie immer wieder versucht, uns zu helfen“, erzählt die 23-Jährige, die im Bezirk Cox’s Bazar in Bangladesch lebt. Sie hat früh verstanden, dass Kinder nur dann gut lernen können, wenn sie unterstützende Rahmenbedingungen haben. 

Jamila konnte selbst nicht studieren

Nachdem sie die zehnte Klasse abgeschlossen hatte, konnte Jamila ihre Ausbildung nicht fortsetzen, weil ihre Eltern es sich nicht leisten konnten, sie weiter finanziell zu unterstützen. Jamila hat vier Geschwister und ihr Vater ist Tagesarbeiter – das Geld war knapp.
 

Jamila steht vor einer grünen Wand. Sie trägt eine rote Bluse und ein blaues Kopftuch und lächelt in die Kamera.
Jamila arbeitet als Erzieherin in Cox’s Bazar Mushfiqul Alam
Über eine weite Fläche erstrecken sich improvisierte Häuser mit Plastikplanen über den Dächern.
In der Gegend wohnen viele Rohingya in einem Geflüchteten-Camp. Sie sind aus Myanmar nach Bangladesch geflohen Plan International

„Ich wollte gerne studieren, konnte es aber aufgrund der finanziellen Situation meiner Familie nicht. Also blieb ich zuhause und half meiner Mutter bei der Hausarbeit. Ich träumte davon, Lehrerin zu werden, um neue Dinge zu lernen und sie Kindern beizubringen“, erinnert sich Jamila. 

Inzwischen arbeitet die 23-Jährige seit über einem Jahr als Betreuerin im örtlichen Zentrum für frühkindliche Bildung (Englisch: Early Childhood Develpment, kurz ECD) – eine Mischung aus Kindergarten und Vorschule. Dort will sie die Rahmenbedingungen schaffen, damit Mädchen und Jungen die gleichen Chancen auf Bildung erhalten.

Gendertransformative Bildung in Cox’s Bazar

In Cox’s Bazar hat Plan International 110 ECD-Zentren eingerichtet – 80 in den Rohingya-Siedlungen und 30 in den lokalen Gemeinden. Dort wird spielerische Vorschulbildung nach einem geschlechtertransformativen Ansatz angeboten: Kindern im Alter von drei bis fünf Jahren lernen durch spielerische Aktivitäten wichtige Fähigkeiten, die sie auf die Grundschule vorbereiten – ohne einschränkende Geschlechterstereotype.

Jamila bewarb sich für die Arbeit in einem der Zentren und wurde eingeladen, an einem Schulungsprogramm teilzunehmen, das sie auf ihre neue Rolle vorbereitete. Dort wurde sie über geschlechtsspezifische Ungerechtigkeiten sowie integrative und sichere Betreuungs- und Bildungstechniken unterrichtet. Die umfassende Schulung wird allen Projektmitarbeitenden und Erzieher:innen angeboten. 

„Ich habe in der Schulung viel gelernt, unter anderem, was geschlechtsspezifische Diskriminierung ist. In unserer Gesellschaft gibt es bestimmte Regeln, zum Beispiel, dass Mädchen im Haushalt arbeiten müssen, während die Jungen draußen sein dürfen. Vorher habe ich mir über diese Regeln keine Gedanken gemacht“, berichtet Jamila. 
 

Cox's Bazar und die Rohingya

Cox's Bazar ist eine Gegend in Bangladesch, in der sehr viele geflüchtete Rohingya in informellen Siedlungen leben. Bei ihnen handelt es sich um eine ethnische Minderheit, die nach politischen Spannungen und eskalierender Gewalt aus Myanmar geflohen sind. Mehr Hintergründe können Sie auf unserer Website lesen.

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„In unserer Gesellschaft müssen Mädchen im Haushalt arbeiten, während die Jungen draußen sein dürfen.“

Jamila (23), Erzieherin aus Bangladesch

Kinder lernen früh Stereotype durch ihr Umfeld

Zwei- bis Dreijährige lernen Stereotype und Verhaltensweisen durch die Beobachtung der Menschen in ihrem Umfeld kennen. Kinder, die geschlechtsstereotypes Verhalten beobachten, verhalten sich mit größerer Wahrscheinlichkeit dementsprechend: Jungen sind zum Beispiel aggressiver und neigen deutlich dazu, gleichgeschlechtliche Spielkameraden zu wählen. 

Die Schulung half Jamila, diese subtilen Geschlechternormen und Mechanismen zu erkennen, von denen die Gesellschaft geleitet wird. Gleichzeitig machte sie ihr klar, dass Mädchen und Jungen die gleichen Rechte haben und dementsprechend auch die gleichen Chancen verdienen – die ihnen durch die Gesellschaft jedoch häufig verwehrt bleiben. Inzwischen arbeitet Jamila in einem der ECD-Zentren und wendet das Gelernte mit Begeisterung in ihrer Arbeit and. Sie stellt fest, dass sich dadurch sowohl bei den Kindern als auch bei den Erzieher:innen etwas verändert hat.

„In meinem Zentrum spielen alle zusammen. Mädchen und Jungen haben beide das Recht, Fußball und Puppen zu spielen, sie können frei wählen, was sie machen wollen. Und beim Lernen in Gruppen achten wir darauf, dass die Geschlechter gemischt sind.“

Auch die Erziehungsberechtigten werden einbezogen

Für die Eltern und Erziehungsberechtigten wurden regelmäßige Seminare eingerichtet, um auch sie für den gendertransformativen Ansatz zu sensibilisieren und zu zeigen, wie dieser zu mehr Gerechtigkeit in der Gesellschaft führen kann. So kann sichergestellt werden, dass die Gleichberechtigung auch in den Häusern der Kinder weitergelebt wird. 

„Als ich anfing, den Kindern diese Dinge beizubringen, gab es einige Erwachsene, die es nicht gut aufnahmen. Wir halten jedoch jeden Monat ein Treffen für Erziehungsberechtigte ab, bei dem ich erkläre, wie wichtig es ist, Mädchen und Jungen gleich zu behandeln. Jetzt akzeptieren die Eltern das. Sie verstehen, dass Jungen und Mädchen die gleichen Rechte haben.“

Die Bedeutung von Bildung für Mädchen stärken

Die ECD-Zentren beginnen auch, die Wahrnehmung von Bildung zu verändern. „Als ich anfing zu unterrichten, kümmerten sich einige Leute nicht um die Bildung ihrer Kinder: Sie schickten sie nicht regelmäßig in das Zentrum. Nachdem sie hierherkamen und die anderen Kinder sahen, begannen sie zu verstehen, wie wichtig die Bildung ihrer Kinder ist“, erklärt Jamila (lesen Sie hierzu auch die Geschichte von Rozina und ihrer Tochter).

„Sie verstehen jetzt auch, dass Frauen mit einer guten Ausbildung erfolgreich sein können und es genauso weit bringen können wie Männer. Bildung ist wichtig für die Zukunft von Mädchen, damit sie auf eigenen Füßen stehen können und nicht von anderen abhängig sind.“ Jamila hat viele Träume für ihre eigene Karriere. Sie hofft immer noch, eines Tages Lehrerin zu werden, am liebsten an einer Grund- oder Mittelschule. „Ich möchte zur Zukunft dieses Landes beitragen. Ich möchte eine gute Lehrerin werden. Das ist mein Traum, für mich, meine Gemeinschaft und mein Land.“

Eine Mutter steht hinter ihrer Tochter und hat ihr die Hände auf die Schultern gelegt. Die Mutter ist voll verschleiert und das Mädchen trägt ein rosa Kleid.
Rozina will, dass ihre Tochter bessere Chancen durch Bildung erhält Mushfiqul Alam

„Bildung ist wichtig für die Zukunft von Mädchen, damit sie auf eigenen Füßen stehen können und nicht von anderen abhängig sind.“

Jamila (23), setzt sich für Gleichberechtigung ein

Sie möchte auch weiterhin auf die Ungleichbehandlung der Geschlechter aufmerksam machen und etwas verändern: „Es ist sehr wichtig, die ganzen falschen Stereotypen über Gender zu kennen. Wenn wir darüber nicht Bescheid wissen, wie sollen wir es unseren Kindern beibringen? Nur so können sie von uns lernen und eine bessere Gesellschaft aufbauen.“

Über das Projekt

Plans Programmarbeit in Cox’s Bazar konzentriert sich auf vulnerable Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene durch gezielte Aktivitäten zum Schutz und zur Bildung von Kindern in Notsituationen. Sie richtet sich sowohl an geflüchtete Rohingya als auch an die Aufnahmegemeinden.

Das Projekt zielt darauf ab, eine integrative, sichere und gendertransformative Bildung für die Kinder vor Ort zu gewährleisten. Im Rahmen des Projekts wurden 20 Projektmitarbeiter:innen und 110 ECD-Erzieher:innen in den Bereichen Pädagogik, Lehrpläne, Inklusion, gendertransformative Bildung und Sicherheit geschult. Darüber hinaus wurden 4.287 erziehungsberechtigte Personen in Sachen Elternschaft geschult.

Der Artikel wurde mit Material aus dem bangladeschischen Plan-Büro erstellt.

Umfrage zu Männlichkeit in Deutschland

Plan International stärkt die Rechte von Mädchen und jungen Frauen weltweit. Um Geschlechtergerechtigkeit zu erreichen, müssen auch Jungen und Männer mit einbezogen und dazu ermutigt werden, sich kritisch mit gesellschaftlichen Vorgaben für Männlichkeit auseinanderzusetzen. Gleichzeitig ist es wichtig, zu wissen, wie Männlichkeit verstanden wird – in Thema, über das aktuell auch viel in Deutschland diskutiert wird, insbesondere in den sozialen Netzwerken.

Wir wollten deshalb wissen, wie es bei den 18- bis 35-Jährigen, die sich viel auf Social Media bewegen, um das Thema Männlichkeit bestellt ist. Die Ergebnisse zeigen, dass Deutschland in der jungen Generation immer noch weit entfernt von echter Gleichberechtigung ist. Die komplette Befragung „Spannungsfeld Männlichkeit“ finden Sie hier:

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